Lukas Böni erklärt uns,
wie er Fleisch pflanzt

Text: Marah Rikli | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Bigger, better, stronger – Dezember 2023

Lukas Böni ist einer der vier Gründer von Planted, dem am schnellsten wachsenden FoodTech-Start-up in Europa im Bereich der alternativen Proteine. Mit pflanzlichem Fleisch aus Gelberbsen erobern die Jungunternehmer zunehmend die Teller Europas.

Ihr erstes Produkt war «planted.chicken Nature», ein Fleischersatz-Produkt auf der Basis von Erbsenproteinen und Rapsöl. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Mein Cousin Pascal Bieri war nach seinem Studium an der Universität St. Gallen im Jahr 2017 in den USA in der Lebensmittelindustrie tätig. Er hat dort direkt mitverfolgt, wie pflanzliche Fleischprodukte auf den Markt kamen, und war skeptisch gegenüber den Zutaten. Er wollte ein solches Produkt ohne Zusatzstoffe kreieren. Pascal bat um meine Meinung als Lebensmitteltechnologe. Ich fand seine Idee genial und war sofort dabei.

Es kamen dann noch zwei weitere Mitstreiter dazu.

Der Dritte im Bunde von Planted war Eric Stirnemann, der wie ich damals an der ETH forschte. Kurz darauf kam Christoph Jenny dazu, der sich mit Finanzierungen und Marketing auskannte. Er begann seine Karriere im Asset Management bei der Credit Suisse und war vor der Gründung von Planted bei der Jacobs Holding tätig. Wir vier brachten unser Wissen zusammen und schrieben ein Konzept. So erhielten wir 150’000 Franken aus dem «ETH Pioneer Fellowship» und gründeten damit unser eigenes Start-up «Planted». Mittlerweile produzieren wir hier bei uns in Kemptthal über eine Tonne Pflanzenfleisch pro Stunde und beschäftigen über 200 Mitarbeitende aus 28 Nationen.

An ihrem Hauptstandort in Kemptthal können sich Ihre Mitarbeitenden im angeschlossenen «planted.bistro by Hiltl» mit den hauseigenen Produkten verköstigen. Essen Sie und Ihre Mitarbeitenden überhaupt noch Fleisch?

Vermutlich sind die meisten von uns Flexitarier:innen oder anders gesagt: flexible Vegetarier:innen. Über die Zeit, die Mitarbeitende bei uns arbeiten, werden sie oft von alleine grosse Fans unserer Produkte. Ich selbst esse auch ab und an Fleisch, aber selten und nur in guter Qualität.

«Rette die Welt. Mit jedem Biss» steht auf Ihrer Website. Geht es Ihnen also mit Planted weniger um Profit als darum, die Welt zu retten?

Die Fleischproduktion ist in den letzten Jahren weitergewachsen und verschlingt enorm viele Ressourcen. Sie setzt sehr viel Treibhausgas frei, braucht enorm viel Wasser, Dünger und Platz – das alles ist eine grosse Belastung für unser Ökosystem. Hinzukommt, dass Menschen Hunger leiden.

«Für Wachstum und Erfolg braucht es nicht nur eine Fehlerkultur, sondern auch den Mut zum Scheitern»

Wir können keine zehn Milliarden Menschen mit Fleisch ernähren. Planted will vor allem aus ökologischen Gründen dem Billigfleisch aus Massentierhaltung eine leckere pflanzliche Alternative gegenüberstellen. Ich bin aber auch überzeugt, dass im Bereich Ernährung vor allem bei den jungen Menschen ein ökologisches Umdenken stattfindet und ein wachsender Geschäftsbereich entsteht.

Gemäss dem «Industry Report von Barclays» wird das Geschäft mit Pflanzenfleisch bis 2029 auf 140 Milliarden USD wachsen und zehn Prozent des globalen Fleischmarkts ausmachen. Der Markt ist jedoch umkämpft, viele Firmen bieten bereits Fleischersatzprodukte an. Was unterscheidet Sie von Ihrer Konkurrenz?

Die Textur unserer Produkte und der Geschmack kommen im Vergleich zu denen der Konkurrenz am besten bei den Konsument:innen an. Dazu sind wir konsequent mit den nachhaltigen und gesunden Zutaten für die Herstellung unserer Produkte. Wir verwenden keine künstlichen Aromen, keine künstlichen Farbstoffe, nur sehr wenig Salz und generell keine Rohstoffe von ausserhalb Europas. Das ist teurer, aber besser. Und unsere Produkte haben einen sehr hohen Proteingehalt, er ist sogar teils höher als bei einer tierischen Hühnerbrust. 

Sie konnten dank Investor:innen zuerst 36 Millionen, dann weitere 70 Millionen in Ihre Firma Planted investieren. Sie stehen also mitten in einem weiteren riesigen Wachstumsprozess.

Durch diese Investition können wir unsere Produktpalette erweitern. Unsere Hühnerbrust beispielsweise wird nun ab Oktober überall in der Schweiz im Einzelhandel verfügbar sein – bis dahin war diese ausschliesslich in der Gastronomie verfügbar. Im Bereich Forschung, Technik und Produktentwicklung haben wir zudem weitere Prototypen entwickelt, die wir nun testen, optimieren und skalieren. Durch die Investitionen können wir die Testphasen beschleunigen und sehr viel mehr Ressourcen in die Skalierung unserer Produkte und damit in unser Unternehmenswachstum stecken.

Wie decken Sie den durch das schnelle Wachstum massiv erhöhten Bedarf an Rohstoffen? 

Konformer Soja oder Weizen wäre natürlich viel einfacher zu beschaffen, da er jeweils in grossen Mengen verfügbar ist und für sehr viele Lebensmittelbereiche gebraucht wird, auch für die Fleischproduktion. Gelberbsen hingegen sind ein noch junger Rohstoff, dazu würden wir sie lokal und «bio» beziehen, das sind extrem hohe Ansprüche an unsere Lieferant:innen. Momentan erhalten wir die Rohstoffe aus dem west-europäischen Raum und decken damit sowohl unseren Bedarf ab und haben auch verhältnismässig kurze Transportwege. Wir sind dennoch mit Schweizer Betrieben im Gespräch, die den Anbau testen. Hier wird sich noch herausstellen, ob sie unseren Qualitätsansprüchen und Mengenbedürfnissen gerecht werden. Aber man muss auch pragmatisch sein: Die Schweiz wird kaum den gesamten Bedarf an Rohstoffen für die Lebensmittelindustrie ohne Import decken können.

«Man muss auch pragmatisch sein: Die Schweiz wird kaum den gesamten Bedarf an Rohstoffen für die Lebensmittelindustrie ohne Import decken können, insbesondere, wenn sich nicht ändert, wie wir essen.»

Im Juli 2019 als Spin-off der ETH Zürich gegründet, zählt Planted aktuell zu den schnellstwachsenden Start-ups in Europa für Lebensmittel aus alternativen Proteinquellen. Planted kombiniert proprietäre Strukturierungs- und Fermentierungstechnologien, um Fleisch aus Pflanzenproteinen zu produzieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf leckerem Geschmack, einer fleischigen und saftigen Textur und der Verwendung von ausschliesslich natürlichen Zutaten.

www.eatplanted.com

Sie planen ein Wachstum im Ausland und weitere Produktionsstätten in den Exportländern. 

Dort zu produzieren, wo unsere Abnehmer:innen sind, macht in mehrfacher Hinsicht Sinn. Die Transportwege werden noch kürzer und dadurch sind wir noch nachhaltiger. Und wir können vor Ort mit Personal aus der Region produzieren, was das Produkt schlussendlich durch die tieferen Löhne auch erschwinglich macht. Wachstum im Export ist für Schweizer Unternehmen wie uns eine Herausforderung. Die Kosten in der Schweiz sind hoch, das macht das Produkt im Ausland sehr teuer.

War das enorm schnelle Wachstum von Anfang an das Ziel Ihres Start-ups? 

Ja! Wir wollten von Anfang an die Nummer eins auf dem Markt werden und haben weiterhin grosse Ambitionen. Zusammen mit unseren Mitarbeitenden wollen wir das Fleisch auf möglichst jedem Teller weltweit ersetzen und dadurch die negativen Auswirkungen der Fleischindustrie reduzieren. Dieser gemeinsame «Purpose» ist auch ein Erfolgsrezept von Planted.

«Wir wollten von Anfang an die Nummer eins auf dem Markt werden»

Haben Sie bis hierhin auch Fehler gemacht?

Natürlich machten wir Fehler, auch wenn ich jetzt gerade keinen offensichtlichen nennen kann. Eine konstruktive und positive Fehlerkultur bei der Gründung und vor allem auch bei der Skalierung von Start-ups ist meiner Meinung nach elementar. Fehler müssen offengelegt und als Lernfeld gesehen werden.

Dazu gehört auch Risikobereitschaft. 

Ja, sowohl von Seiten des Unternehmens wie auch der Investor:innen. Es passiert viel zu oft, dass das volle Potenzial eines Start-ups aus Angst vor dem Scheitern oder mangelnder Risikofreude nicht ausgeschöpft wird. Für Wachstum und Erfolg braucht es aber nicht nur eine Fehlerkultur, sondern auch den Mut zum Scheitern. In der Schweiz hat das Scheitern zu Unrecht einen schlechten Ruf. Das Scheitern wirft ja auch immer wichtige Fragen auf, die für die Skalierung von Bedeutung sind: «Was hat nicht funktioniert?», «Warum hat es nicht funktioniert?», «Wie können wir es anders machen?».

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen. Haben wir in fünf bis zehn Jahren kein Fleisch mehr auf dem Teller? 

Welche Lebensmittel gekauft und verwertet werden, ist auf der ganzen Welt sehr stark kulturell verankert. Die Disruption, die wir anstreben – für potenziell die gesamte Weltbevölkerung, also zehn Milliarden Menschen bis 2050 –, dauert noch mindestens eine halbe Generation. Denn dafür müssen sich die Konsumgewohnheiten der Menschen so verändern, dass Pflanzenproteine genauso selbstverständlich werden, wie es heute tierische sind.

Was brauchen Sie, um dieses Ziel zu erreichen? 

«People choose good taste»: Die Menschen werden ihre Gewohnheiten nur ändern und unsere Produkte kaufen, wenn wir ihren Geschmack treffen. Um so wachsen zu können, wie wir es vorhaben, müssen wir noch bessere Technologien entwickeln. Wir möchten uns ans rote Fleisch machen, zum Beispiel ein Planted Steak auf den Markt bringen.

«Für mich bedeutet Wachstum, im Leben bestehen zu können. Man muss sich stets neuen Voraussetzungen und Umweltbedingungen anpassen.»

Der 33-jährige Lukas Böni gründete nach seinem Doktorat in Lebensmittelwissenschaft an der ETH Zürich und diversen Praktika im Jahr 2019 mit seinen drei Mitstreitern Pascal Bieri, Eric Stirnemann und Christoph Jenny das Start-up Planted. Lukas ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau und drei Kindern in Zürich. 

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