Text: Olivia Kinghorst | Bilder: Markus Bertschi/gategroup | Magazin: Bigger, better, stronger – Dezember 2023
Der globale Airline-Caterer gategroup sorgt jedes Jahr für die kulinarische Verpflegung von mehr als 500 Millionen Fluggästen auf 3,3 Millionen Flügen. Als Christoph Schmitz 2021 das Amt des CEO übernahm, hatte das Unternehmen mit Sitz in Zürich noch mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Aber in jeder Krise liegt auch eine Chance. Schmitz’ nächstes Ziel war es, gategroup zu einem Marktführer für Lebensmittel sowohl über den Wolken als auch am Boden zu machen.
Ihr Weg bei gategroup begann 2015, als Sie CFO des Unternehmens wurden. Was waren Ihre ersten Eindrücke?
Als ich zu gategroup kam, wurde gerade das gesamte Managementteam umstrukturiert. Die Umsatzentwicklung des Unternehmens stagnierte und auch die Gewinnspanne war erheblich gesunken. All dies führte zu einem stark gedrückten Aktienkurs. Unser Geschäft war schon immer das Catering für Fluggesellschaften gewesen, im Bemühen um Wachstum und bei der Suche nach Chancen in angrenzenden Bereichen hatten wir jedoch unseren eigentlichen Zweck etwas aus den Augen verloren. gategroup hatte eindeutig Schwierigkeiten, sich auf sein Ziel zu fokussieren – den Fluggästen ein ausgezeichnetes Kulinarik- und Einkaufserlebnis zu bieten.
Wie haben Sie das Unternehmen wieder auf den richtigen Weg gebracht?
Es war essenziell, in unserem Kerngeschäft finanziell erfolgreich zu sein. Wir arbeiten eng mit unseren Kunden – Fluggesellschaften wie Lufthansa, Air France, United und Delta Air Lines – zusammen, um Essen an Bord und in den Flughafenlounges anzubieten. Wir haben daher eine neue Fünfjahresstrategie namens Gateway 2020 entwickelt. Unser Ziel war es, in vier Schlüsselbereichen aktiv zu werden: Airline-Catering, kommerzielle Innovation, geografische Expansion und Standardisierung unserer Betriebe. Diese klare Vision hat sich ausgezahlt, und wir konnten unseren Umsatz von drei Milliarden Franken im Jahr 2015 auf fast fünf Milliarden im Jahr 2019 steigern.
«Letztlich geht es um die finanzielle Belastbarkeit. »
gategroup ist derzeit der weltweit grösste Anbieter von Airline-Catering mit einer Präsenz in über 60 Ländern und an 200 Flughäfen. Was braucht es, um branchenführend zu sein?
Das Motto dieses Magazins lautet «Bigger, better, stronger», und letztlich geht es um die finanzielle Belastbarkeit. Wenn ein Unternehmen finanziell überlegen ist, kann es wachsen. In der Flugbranche lässt sich derzeit ein starker Konsolidierungstrend beobachten. In dieser Konsolidierungswelle können Sie nur dann erfolgreich sein, wenn Sie finanziell stark genug sind, um selbst zu konsolidieren – und nicht derjenige sind, der konsolidiert wird. Dazu sind mehrere Dinge erforderlich: eine gute operative Leistung, rentable Verträge und ein gutes Cashflow-Profil.
Zudem ist es von Vorteil, ein Branchenführer mit globaler Präsenz zu sein. Schon allein die Grösse unseres Unternehmens macht uns widerstandsfähiger gegen externe und interne Schocks.
In der Vergangenheit mussten wir viele Krisen bewältigen, wie zum Beispiel die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder den SARS-Ausbruch im Jahr 2003. Da diese Krisen hauptsächlich bestimmte Regionen betrafen, konnten wir die daraus resultierenden Schocks leichter abfedern, da wir auf sechs Kontinenten vertreten sind.
«Inzwischen gibt es Licht am Ende des Tunnels»
Dennoch brachte die Corona-Pandemie die Reisebranche 2020 zum Stillstand. Wie hat gategroup auf die Krise reagiert?
Wir waren mit viel Optimismus ins Jahr 2020 gestartet. Wir hatten einen Umsatz von knapp fünf Milliarden Franken erzielt und unser Geschäft durch die Akquisition des Air-France-Cateringunternehmens Servair und des Airline-Caterers LSG Europe von Lufthansa erweitert. Als die Krise begann, waren wir eines der am stärksten davon betroffenen Unternehmen in der Schweiz. 90 Prozent unserer Einnahmen brachen weg und wir hatten einen monatlichen Liquiditätsabfluss von mehr als 100 Millionen Franken. Um die Krise zu überwinden, haben wir unsere Belegschaft auf ungefähr 25’000 Mitarbeitende fast halbiert und ein Kostensenkungsprogramm eingeleitet. Es war ein Kampf ums Überleben.
«Man kann nicht effektiv führen, wenn einen jede Krise aus der Bahn wirft.»
Die Reiselust der Menschen ist zurückgekehrt, und der weltweite Luftverkehr hat fast wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht. Hat sich gategroup vollständig von der Pandemie erholt?
Unser Umsatz hat sich auf 90 Prozent des Vorkrisenniveaus erholt. In Bezug auf den Gewinn liegen wir bisher jedoch nur bei etwa 50 Prozent des Werts von 2019. Dafür gibt es drei Gründe: Engpässe auf dem Arbeitsmarkt und geringere Produktivität, Unterbrechungen der Lieferkette und eine hohe Inflation.
Wir mussten unsere Belegschaft neu aufbauen, und es war schwierig, entsprechende Talente zu finden. Neueinstellungen in diesem Umfang bedeuten, dass man nicht die gleichen Leute zurückbekommt. Ein Drittel der Arbeitnehmer:innen, die während der Krise ausgeschieden sind, sind in den Vorruhestand getreten und ein weiteres Drittel ist in andere Branchen abgewandert. Dies führte zu Produktivitätsproblemen, da wir Mitarbeitende umschulen mussten.
Zudem sahen wir uns aufgrund von Problemen in der Versorgungskette auf verschiedenen Märkten mit Lebensmittelknappheit konfrontiert. Dies führte dazu, dass wir Zutaten zu deutlich höheren Kosten ersetzen mussten, da ein Bezug aus anderen Märkten nötig war. Ausserdem kam es aufgrund der hohen Inflation zu Mehrkosten von bis zu 40 Prozent, zum Beispiel für Hühnchen und Lachs. Die grosse Herausforderung für uns als Organisation besteht jetzt darin, wieder das Niveau von vor der Pandemie zu erreichen. Wir erwarten, dass uns das in naher Zukunft gelingen wird. Insgesamt bleibe ich optimistisch.
Woher kommt dieser Optimismus? Wie können Sie Ihr Unternehmen in Zukunft vergrössern und ausbauen?
Vor der Pandemie haben wir alles auf eine Karte gesetzt: die Luftfahrt. Die Corona-Pandemie hat jedoch gezeigt, dass keine Branche sicher ist. Nach dieser Erkenntnis haben wir beschlossen, nach neuen Wachstumsmöglichkeiten Ausschau zu halten.
Wir haben beispielsweise damit begonnen, für COVID-19-Impfstationen Lunchpakete für Menschen herzustellen, die unter Quarantäne standen. Ausserdem produzierten wir erstmals Fertiggerichte für Supermärkte und Lebensmittel-Lieferdienste. Diese Anbieter hatten Schwierigkeiten, der Nachfrage nachzukommen, weil alle zu Hause blieben und Essen bestellten. Dadurch wurde uns klar, dass wir unsere Kerninfrastruktur – Lebensmittel, Küchen, Logistik – nutzen und einen externen Markt ausserhalb der Luftfahrtindustrie bedienen können.
«Die Qualität der Unternehmenskultur ist unabhängig davon, ob man wächst oder stagniert.»
Was bedeutet dies für Ihre künftige Strategie?
Unsere Strategie besteht nun darin, unser Luftfahrt-Catering-Geschäft so schnell wie möglich zur alten Grösse zurückzubringen. Gleichzeitig sind wir auf der Suche nach neuen Möglichkeiten im weiteren Segment der Food Solutions. Unser Fachwissen im Lebensmittelbereich ist breit, warum sollten wir uns also auf die Flugbranche beschränken? Ein Beispiel ist die Herstellung von Fertiggerichten für Supermärkte, denn dort sind die Gewinnspannen mindestens so attraktiv wie im Airline-Catering. Ein weiterer Bereich ist die Herstellung von Verpackungen aus Zellstoff und Papier für grosse Lebensmittelketten wie McDonald’s.
Unser Geschäft mit Food Solutions wird in diesem Jahr voraussichtlich bereits einen Umsatz von fast 900 Millionen Franken erzielen. Langfristig möchten wir unser Food-Solutions-Geschäft genauso breit ausbauen wie unser Airline-Catering-Geschäft. Damit dies gelingt, müssen wir kontinuierlich an unserem Alleinstellungsmerkmal arbeiten. Im Falle von gategroup ist dieses Alleinstellungsmerkmal die Qualität der von uns produzierten Lebensmittel. Ohne diese Einzigartigkeit werden wir austauschbar.
Erwarten Sie in den nächsten zehn Jahren ein nachhaltiges Wachstum der Luftfahrtindustrie?
In den nächsten 20 Jahren können wir in der Branche mit einem nachhaltigen und stetigen Wachstum von vier bis sechs Prozent pro Jahr rechnen. Die Corona-Pandemie war eine grosse Hürde, inzwischen gibt es aber Licht am Ende des Tunnels. Die Nachfrage nach Flugreisen steigt. Die Weltbevölkerung wächst, die Mittelschicht wird grösser, und die Menschen haben mehr verfügbares Einkommen, das sie für Reisen ausgeben können. Deshalb ist es für uns als Unternehmen wichtig, in unserer Entwicklung mit dem Marktwachstum Schritt zu halten. Unsere Investor:innen suchen nach widerstandsfähigen Unternehmen wie dem unseren, die statt kurzfristigen Gewinnen langfristigen Wert liefern können.
Wie haben Sie sich persönlich weiterentwickelt, seit Sie die Rolle als CEO von gategroup übernommen haben?
Als ich 2021 vom CFO in die Rolle des CEO wechselte, musste ich beweisen, dass ich die richtige Person bin, um das Unternehmen aus der Krise zu führen. Dies habe ich erreicht – durch die Entwicklung eines klaren Plans und durch Konzentration auf die strukturierte Umsetzung der festgelegten Initiativen. Seit Beginn meiner Tätigkeit als CEO im Jahr 2021 habe ich auch erkannt, wie wichtig Resilienz in der Luftfahrtbranche ist, insbesondere im Falle von unerwarteten Ereignissen. Man kann nicht effektiv führen, wenn einen jede Krise aus der Bahn wirft. Ich bin von Natur aus optimistisch und glaube, dass sich Probleme in der Regel lösen lassen. Ausserdem habe ich gelernt, besser mit meiner Energie umzugehen. Ich muss sie auf die wichtigsten Prioritäten verwenden und mich mit einem positiven Team umgeben, aus dem ich Energie schöpfen kann.
Welche Meilensteine möchten Sie in Ihrer Funktion in den nächsten zehn Jahren erreichen?
Diese Frage stelle ich mir ebenfalls, wenn ich morgens aufstehe: Welches Vermächtnis möchte ich hinterlassen? Ich möchte ein Unternehmen schaffen, das sowohl in der Luftfahrt als auch in der Lebensmittelindustrie allgemein als führender Anbieter von hochwertigen, nachhaltigen Food Solutions anerkannt ist. Darüber hinaus hoffe ich, unsere Finanzkraft wieder auf das Vorkrisenniveau zu bringen und einen erheblichen Wert für unsere Aktionär:innen zu schaffen. Unser Ziel ist es, das Unternehmen mittel- bis langfristig wieder an die Börse zu bringen. Und last but not least möchte ich gategroup zu einem Arbeitsplatz machen, an dem die Menschen glücklich sind – und stolz, ein Teil davon zu sein.
gategroup ist ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Airline-Catering, Bordverkauf und Hospitality-Leistungen. Seit der Gründung von Swissair Catering im Jahr 1992 hat sich das Unternehmen zu einem Marktführer entwickelt und ist heute in mehr als 60 Ländern präsent. Das Unternehmen wurde 2017 von der Schweizer Börse dekotiert und ist im Besitz der Investmentfirmen RRJ Capital und Temasek. gategroup hat derzeit seinen Hauptsitz in Zürich und beschäftigt über 38’000 Mitarbeitende.
www.gategroup.com
Christoph Schmitz (58) kam 2015 als Chief Financial Officer zu gategroup. 2021 übernahm er die Position des Chief Executive Officer. Davor war er CFO des Aromenherstellers Wild Flavors und bekleidete Führungspositionen in multinationalen Unternehmen in Nordamerika, Australien, Deutschland und Indien. Er hat einen Master of Business Administration (MBA) von der Rotman School of Management der Universität Toronto. Schmitz wurde in Deutschland geboren und besitzt auch die Schweizer Staatsbürgerschaft. Er ist verheiratet und eines seiner Hobbies ist das Segeln.