Claudia Meyer bereitet
alte Autos neu auf

Text: Redaktion ceo | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Bigger, better, stronger – Dezember 2023

Claudia Meyer führt Renault Group Schweiz in Richtung CO2-Neutralität. Der Autohersteller vollzieht dazu eine Transformation auf mehreren Ebenen. Eine davon ist, weniger Neuwagen zu produzieren und stattdessen gebrauchte Autos neu aufzubereiten.

«Wir bauen Renault Group in grossen Teilen um und entwickeln uns zu einem Hightech- und Mobilitätsanbieter»

Frau Meyer, der Autohersteller Renault Group will bis 2030 der grünste Hersteller Europas werden. Werden Sie dieses Ziel erreichen?

Wir sind auf einem sehr guten Weg, möchten aber noch innovativer, noch grüner und noch nachhaltiger werden. Ein klares Ziel der Renault Group ist es, bis 2040 in Europa CO2-neutral unterwegs zu sein. Dazu setzen wir auf die Elektrifizierung der Fahrzeuge, saubere Energie, kohlenstoffarme Materialien in der Produktion und nachhaltige Mobilitätslösungen. Eine zentrale Rolle dabei spielt die bereits angelaufene Modelloffensive. Bis 2025 kommen 14 neue Renault Modelle auf den Markt, sieben davon vollelektrisch. Die Features unseres neuen Megane E-Tech Electric sind dabei wegweisend für die CO2-freie Mobilität: Null Emissionen im Betrieb, Verwendung von Recycling-Materialien für die Konstruktion, zweites Leben der Batterien und hohe Recyclingfähigkeit am Ende des Lebenszyklus.

«Software-Defined Vehicles, künstliche Intelligenz, Data Management und Batterietechnologie sind die neuen ‹Wachstumsthemen› der Autobranche.»

Was sind die Herausforderungen auf dem Weg, dieses Ziel zu erreichen?

Bezogen auf die Schweiz sind das zum einen die politischen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern müssen wir in der Schweiz die CO2-Ziele praktisch ohne Förderung erreichen. Zudem haben wir in der Schweiz topografische Herausforderungen. Anders als Deutschland oder Holland haben wir viele Bergstrecken, das beeinflusst die Kraftentfaltung bei einem Auto und die Reichweite. Und wir brauchen eine noch bessere Infrastruktur für Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeuge in der Schweiz.

Zum Beispiel mehr E-Tankstellen?

Heutzutage kann man überall ganz einfach Benzin und Diesel tanken. Wir sind mit den Ölproduzenten im Gespräch, damit sie mit uns gemeinsam einen nachhaltigen Wandel dieser Tankstellen durchführen und zusätzlich Schnellladestationen anbieten. In Bezug auf E-Mobilität verfolgen wir eine Dualstrategie: Einerseits bieten wir Elektro-E-Tech-Fahrzeuge an, die E-Tankstellen brauchen, andererseits Hybrid-E-Tech-Fahrzeuge – also elektrisch betriebene Autos, die man nicht aufladen muss. Diese Fahrzeuge brauchen keine externe Stromquelle und laden sich beim Bremsen und Verlangsamen selbst auf.

«Die Renault Group wird ihr ehrgeiziges Ziel, bis 2040 in Europa CO2-neutral zu sein, mit allen Kräften verfolgen: Emissionsfreie Fahrzeuge und Kreislaufwirtschaft sowie nachhaltige Energie und Materialien sind die Hebel dazu.»

 

E-Fahrzeuge sind im Preis aber höher als benzinbetriebene. Hemmt das nicht das Wachstumspotenzial in Zeiten, in der die Teuerung auch den Mittelstand trifft?

Studien des TCS zeigen, dass der Konsument:innen bereits nach fünf Jahren mit dem Elektroauto günstiger fährt als mit einem benzinbetriebenen, denn die Ladekosten sind viel niedriger als bei Treibstoff. Das ist eher ein Anreiz. Eine grössere Rolle spielt jedoch der Fakt, dass die Schweiz ein Mieter:innen-Land ist. Diese sind auf Tiefgaragenplätze mit Ladestationen oder einen Parkplatz ausserhalb ihres Wohnquartiers angewiesen. Wir plädieren daher für Erleichterungen und Förderungen, um Ladestationen in Mietobjekten installieren zu können, und für eine Infrastruktur im öffentlichen Raum.

Sie sind in einer Autohändler-Familie aufgewachsen. Wie hat sich die Branche in den Jahrzehnten verändert?

Früher lag der Fokus auf dem klassischen Verkauf von Neuwagen und Zubehör wie zum Beispiel Reifen. Dazu integrierten Händler eine Werkstatt für die Wartung. Heute ist die Komplexität viel höher und sie wird sich weiter verändern. Es wird viel Transformation geben.

Was heisst das in Bezug auf die Renault Group?

Wir bauen die Renault Group in grossen Teilen um und wachsen zu einem Hightech- und Mobilitätsanbieter. Dazu diversifizieren wir unser Marken-Portfolio, indem wir zum Beispiel unsere Sportwagenmarke Alpine bis 2030 mit sechs verschiedenen Elektro-Modellen ausbauen. Renault steht bereits heute für innovative E-Tech-Autos und Dacia bleibt der «Smart Buy»-Brand für erschwingliche Autos mit attraktivem Outdoor-Flair. Wir werden aber generell nicht mehr so viele Neuwagen produzieren, sondern verfolgen stattdessen neue Mobilitätsangebote und unsere Re-Factory- Strategie: Mehr und mehr bereiten wir gebrauchte Autos wieder zu Neuwagen auf. Es wird immer mehr Kundschaft geben, die das Leben ihres Fahrzeugs verlängern möchte – und das beim Original-Hersteller.

Nachhaltigkeit und Wachstum sind bei Renault also keine Gegensätze?

Absolut nicht. Dass wir das Thema Umweltschutz schon früh ernst genommen haben, ist jetzt unser absoluter Vorteil. Wir haben schon 2013 die ersten vollelektrischen Autos gebaut und auf den Markt gebracht. Natürlich gibt es neue Herausforderungen, aber mit der neu gegründeten Unternehmenseinheit «The Future is Neutral» gehen wir zum Beispiel beim Thema Batterierecycling den nächsten Schritt: die Rückführung der Materialien in neue Batterien voranzutreiben.

Unterstützt künstliche Intelligenz (KI) die Renault Group in der weiteren Skalierung?

Wir nutzen KI vor allem in Bezug auf unsere eingebauten Multimediasysteme, für Predictive Maintenance und im Data Management. So wird im neuen Renault 5 ein KI-Avatar namens Reno die Nutzer:innen begleiten, um ihre Präferenzen im Multimediasystem einzugeben. Die Ansprüche an moderne Technologien im Auto werden in Zukunft sicherlich noch weiter steigen und es kommt unter Umständen zu spannenden Kooperationen. Ein Beispiel: In Frankreich kann Mobilize, die Marke für neue Mobilität der Renault Group, mit «Smart Road Monitoring» Daten zum Zustand und zur Sicherheit von Strassen, zu Lärm und zu Ladepunkten liefern. Gemeinden können so analysieren, wo sie nachbessern müssen. Das sind grosse Innovationen.

«Bei jeder Entscheidung, die wir treffen, überprüfen wir stets, dass der CO2-Fussabdruck stimmt.»

Innovation bedeutet aber auch immer eine Herausforderung für die Belegschaft. Wie gehen die Mitarbeitenden mit den Veränderungen um?

Mit unseren neuen Strategien und Produkten können wir die Profitabilität optimieren und die Attraktivität des Unternehmens steigern. Auch die Renault Group ging durch schwierige Zeiten, sogar der französische Staat musste finanziell unter die Arme greifen. Heute sind wir schuldenfrei. Die Mitarbeitenden spüren sicherlich auch durch diese Erfahrung eine Motivation, diese Veränderungen zu durchlaufen und die Revolution in der Autobranche mit anzustossen.

Revolution?

Wir elektrifizieren alle Fahrzeuge und kommen mit vielen Neuheiten auf den Markt. Damit erobern wir uns den grössten Teil des Marktes – das C-Segment, den Markt der Kompaktfahrzeuge – zurück. Wir möchten die Fahrzeugklasse zwischen B-Segment oder Kleinwagen und der oberen Mittelklasse wieder mehr bedienen. Mit zwei Modellen ist uns das bereits gelungen. Jetzt steht das nächste Modell in den Startlöchern.

Die Autobranche ist von sehr vielen Rohstoffen abhängig. Unter anderem Stahl. Das kann solche Entwicklungen auch hemmen.

In den meisten Wachstumsthemen in Unternehmen bedeutet die Rohstoffbeschaffung eine Herausforderung. Hier ist ein Umdenken gefragt. Durch den Ukraine-Krieg wurde Stahl weltweit knapp, also haben wir uns entschlossen, weniger Stahl zu verwenden. Wir haben gemeinsam mit unseren Allianz-Partnern Nissan und Mitsubishi flexible Plattformen entwickelt, auf denen 80 Prozent der Autos basieren, wodurch wir mehr Economies of Scale erzielen. Bei den neuen Elektroautos sind inzwischen aber auch Teile der Karosserie, die früher aus Stahl waren, aus leichteren Materialien. Das ist für die Reichweite der Batterie entscheidend.

Eine weitere Herausforderung ist der Fachkräftemangel. Wie finden Sie qualifiziertes Personal, um Ihre Wachstumsstrategien umzusetzen?

Die Ansprüche der Arbeitssuchenden sind sehr hoch geworden, zum Beispiel in Bezug auf Lohnvorstellungen und flexible Arbeitszeiten. Wir versuchen diesem Trend zu entsprechen, es ist jedoch nicht überall möglich. Beispielsweise gibt es Stellen in der Autobranche, in denen kein Homeoffice möglich ist oder die im Schichtbetrieb sind. Wir müssen daher anders attraktiv sein. Als Konzern haben wir hervorragende Referenzen: Wir setzten auf Diversität, Vertrauen sowie Motivation und unsere Produkte begeistern. Die Mitarbeitenden stehen bei Renault sehr im Mittelpunkt und werden in der beruflichen sowie persönlichen Entwicklung stets begleitet.

Ist die männlich dominierte Autobranche weiblicher geworden?

Der Frauenanteil in den Konzernzentralen ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen, auch weil die Branche vielseitiger geworden ist. Eine positive Entwicklung, die man bei vielen Unternehmen beobachten kann. Wir haben viele neue, spannende Stellen geschaffen, zum Beispiel im Bereich IT, im Design, im Ingenieurwesen oder für neue Dienstleistungen. Bei Renault Schweiz haben wir heute in der Geschäftsleitung bereits 40 Prozent Frauen, das war vor ein paar Jahren noch anders. Die Branche ist und bleibt superspannend – für Männer und Frauen.

Mit einem Marktanteil von 7,23 Prozent ist Renault Suisse mit den Marken Renault, Dacia und Alpine einer der stärksten und gleichzeitig auch traditionsreichsten Importeure auf dem Schweizer Markt. Bereits am 30. April 1927 legte Renault mit der Aktiengesellschaft S.A.V.A.R. (Société Anonyme pour la Vente des Automobiles Renault) in Genf den Grundstein für Import und Vertrieb der Marke Renault in der Schweiz und war damit eine der ersten Importgesellschaften eines europäischen Automobilherstellers in der Schweiz. Heute firmiert das Unternehmen als Renault Suisse SA mit Sitz in Urdorf bei Zürich. 

www.renault.ch

Claudia Meyer (54) wuchs in der Schweiz in einer Autohändler-Familie auf. Sie ist seit 2021 Managing Director der Renault Suisse SA. Seit Mai 2023 ist Claudia Meyer im Vorstand von auto-schweiz, der Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure. Sie startete ihre Karriere 1998 in der Marketing-Abteilung von Jaguar Switzerland in der Emil Frey AG. Danach folgten Positionen in Marketing-Kommunikation, Produkt-Marketing und Brand Management bei DaimlerChrysler Switzerland und Fiat Group Suisse SA. 2014 erfolgte der Wechsel als Marketing-Direktorin zu Nissan Schweiz, bevor sie dort 2017 die Leitung als Country Director übernahm.

Previous
Next