Der digitalisierte Sportler

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Die drei Ingenieure der Firma Axiamo haben Sensoren ent­wickelt, die Bewegungs- und Leistungsparameter von Profisportlern messen. Das Training soll dadurch optimiert werden. Fällt der Trainer aus Fleisch und Blut zukünftig weg? Damian Weber, Michael Gasser und Benjamin Habegger geben einen Einblick in den Bereich Digitalisierung und Sport und wagen einen Blick in die Zukunft.

Text: Redaktion ceo Magazin | Bilder: Marc Wetli /Markus Bertschi | Magazin: Homo digitalis – Juni 2018

Ist Ihr Produkt ein Instrument, um den Menschen zu digitalisieren?

Michael Gasser: Nein, es ist ein technisches Hilfsmittel, das unterstützend wirkt. Es liefert Profisportlern ein objektives Feedback ihrer persönlichen Bewegungsdaten. Dies ist hilfreich, um sich gegen Mitstreiter durchsetzen zu können, denn heutzutage entscheiden im Spitzensport Hundertstelsekunden über Sieg oder Niederlage. Unser Produkt ist ein Werkzeug, mit dem das Training besser gesteuert und Verletzungen vorgebeugt werden kann.

Aber nimmt es dem Menschen nicht irgendwo die Fähigkeit, auf seinen eigenen Körper zu hören?

Benjamin Habegger: Was unser Produkt misst, kann der Athlet gar nicht selber spüren und messen, so beispielsweise die Bodenkontaktzeit. Er spürt vielleicht seine Ermüdung und wie gut es ihm geht, aber sehr spezifische Parameter können nur mit moderner Technologie erfasst werden. Mit den Messungen unserer Sensoren kann man im Nachhinein genau bewerten, ob sich gewisse Parameter verbessert haben oder nicht, und so beurteilen, ob eine Trainingsmethode gut anschlägt.

«Diese Suche nach einem Sinn ist es, die den Menschen ausmacht.» B.H.

Wie sind Sie auf die Idee zur Entwicklung dieses Produkts gekommen?

M. G.: Wir haben zusammen studiert und an einem Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sport BASPO gearbeitet. Aus der Projektarbeit wurde eine Masterarbeit, und dann haben wir uns dazu entschieden, das Produkt weiterzuentwickeln, und damit unsere eigene Firma gegründet. Für uns war von Anfang an klar, dass das Produkt eine Zukunft hat.

B. H.: Wir haben die Technologie entwickelt, um die Ansprüche der Trainer umzusetzen und deren Wünsche, was gemessen werden soll. Den Anstoss haben also die Trainer gegeben. Wir verfügen über eine sehr lange Wunschliste von ihnen, die wir erfüllen könnten. Es wird sehr viel nachgefragt, und wir müssen schliesslich entscheiden, ob sich das mit sinnvollem Aufwand realisieren lässt und ob es einen Markt dafür gibt.

Ihr Thema ist Digitalisierung und Sport. Welchen Bereich unseres Lebens hat die Digitalisierung bisher am stärksten verändert?

Damian Weber: Vor allem die Art, wie wir kommunizieren, hat sich mit den digitalen Technologien sehr stark verändert. Und die Erreichbarkeit: Heute wird fast vorausgesetzt, immer und überall erreichbar zu sein. Das war früher anders.

B. H.: Die Digitalisierung hat aber auch die Konkurrenzsituation auf dem Markt verschärft. Heute kann man ein gewünschtes Produkt online kaufen, die Informationen dazu sind ebenfalls online verfügbar, und wenn ein Online-Shop gerade nicht erreichbar ist, geht der Käufer mit wenigen Klicks zum nächsten. Die Konkurrenz ist gross und der Kunde hat mehr Macht.

«Die Frage der Singularität ist noch nicht beantwortet.» D.W.

Sind Sie persönlich 24 Stunden am Tag erreichbar für das Geschäft?

D. W.: Ich geniesse es zwar, wenn ich mal nicht verfügbar bin, aber ich brauche es nicht über einen langen Zeitraum. Und in den Ferien ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich die E-Mails checke.

M. G.: Ja, ich persönlich brauche keine Offline-Oasen. In den Ferien habe ich es zwar auch genossen, einmal eine Woche offline zu sein, aber ich habe es nicht speziell gesucht.

B. H.: Wenn ich in den Sommerferien 14 Tage weg bin, achte ich sehr darauf, dass ich nicht erreichbar bin. Ansonsten sind wir
alle ständig erreichbar. Was vielleicht auch damit zu tun hat, dass es unsere eigene Firma ist. Würden wir für ein anderes Unternehmen arbeiten, wäre es vermutlich einfacher, Abstand zu halten.

Wo bleibt das Menschliche? Oder anders gefragt: Wann kommunizieren Sie persönlich?

M. G.: Je wichtiger etwas ist, umso persönlicher sollte der Kontakt sein.

B. H.: Sehr viel Kommunikation erfolgt digital. Wichtig ist, dass man sich zumindest einmal gesehen hat, damit man weiss, mit wem man kommuniziert. Das macht vieles einfacher.

Die drei Kommilitonen Damian Weber (1984), Benjamin Habegger (1984) und Michael Gasser (1985) haben die Firma Axiamo gemeinsam im März 2015 als GmbH gegründet. Alle drei Jungunternehmer haben ihr Studium der Elektrotechnik erfolgreich abgeschlossen und arbeiten als gleichberechtigte Gesellschafter der Axiamo GmbH. Sie leben im Bernbiet und sind auch privat befreundet. Michael Gasser wird im September zum ersten Mal Vater, Benjamin Habbegger ist Vater von drei Kindern.

Können wir uns dem Einfluss der Digitalisierung verschliessen?

D. W.: Nicht in dieser Gesellschaft.

Wo sehen Sie die Grenzen der Digitalisierung? Werden wir irgendwann einen Chip implantiert haben und ständig überwacht werden?

B. H.: Gerade was die Überwachung angeht, sind wir heute schon sehr weit. Wenn man es nicht explizit unterbindet, weiss beispielsweise Google ganz genau, in welche Restaurants man geht, in welchen Geschäften man einkauft, wo man arbeitet und lebt. Die meisten Menschen tragen ein Smartphone mit sich und das ist ein sehr guter Tracker. Wo hier die Grenze sein wird, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich geht es viel weiter, als wir uns das heute vorstellen können.

Ist das nicht beängstigend?

M. G.: Das ist es schon, daher sollte man schon früh mit der Aufklärung anfangen und die Menschen darauf aufmerksam machen. Viele junge Menschen posten Nachrichten und Bilder in den sozialen Medien, aber in fünf oder zehn Jahren werden sie das vielleicht bereuen.

Was überwiegt Ihrer Meinung nach: die Risiken oder die Chancen der Digitalisierung?

M. G.: Letztlich ist es doch wie mit jeder neuen Technologie: Was damit gemacht wird, hängt vom Menschen ab, und ich bin davon überzeugt, dass der Mensch das Gute will, und daher werden die Chancen überwiegen.

«Je wichtiger etwas ist, umso persön­­licher sollte der Kontakt sein.» M.G.

Viele betrachten künstliche Intelligenz als ein Risiko der Digitalisierung. Kann künstliche Intelligenz ein Eigenleben entwickeln?

B. H.: Für eine Intelligenz braucht es immer auch eine Motivation, und ich glaube, dass sich eine künstliche Intelligenz nicht über sich selber hinaus entwickeln kann, zumindest im Moment noch nicht. Ein Schach­roboter kann sich selbst Schach beibringen, aber er denkt sich nicht, dass Schach eine schlechte Aufgabe ist, und sucht sich dann eine neue, sinnvollere Aufgabe. Genau diese Suche nach einem Sinn ist es, die den Menschen vielleicht ausmacht und dazu führt, dass er sich anderen Gebieten zuwendet, die ihn mehr interessieren oder ihm wichtiger erscheinen.

Kann sich künstliche Intelligenz theoretisch selber ein neues Gebiet suchen oder muss ihm das vom Mensch zugewiesen werden?

D. W.: Das ist die Frage nach der Singularität, also der Schwelle, an der künstliche Intelligenz überhandnimmt. Diese ist noch nicht beantwortet. Die Forschung ist sich nicht einig, ob das eintreffen kann oder wann es eintreffen wird. Die Diskussion darüber ist schon seit 20 Jahren im Gang, nur wird das Thema jetzt überall präsenter.

Wie hoch schätzen Sie den künftigen Einfluss von künstlicher Intelligenz und digitalen Assistenten auf unser Leben ein?

D. W.: Der wird definitiv steigen, und wir werden ver­mehrt von digitalen Assistenten umgeben sein.

Trifft das auch auf die Produkte Ihrer Firma zu? Entwickeln Sie einen digitalen Assistenten?

B. H.: Eine künstliche Intelligenz, die auf Basis der von unseren Sensoren gemessenen Daten standardisierte Trainingsvorschläge generiert, wäre denkbar und kommt in Massenprodukten zum Teil bereits zur Anwendung. In unserem Kundensegment ist das aber etwas weniger der Fall. Profisportler haben einen Trainer, der die Daten auswertet und in konkrete Massnahmen umsetzt. Der Trainer soll nicht ersetzt werden, denn wir vertrauen darauf, dass er mehr kann als künstliche Intelligenz.

Unser Alltag hat sich in den letzten zehn Jahren rapide geändert. Können Sie als Ingenieure und Experten der Digitalisierung ein Szenario entwerfen, wie unser Leben in weiteren zehn Jahren aus­sehen wird?

M. G.: Es wird sicher noch weiter in die Richtung der Personalisierung gehen, so dass Werbetreibende noch viel besser wissen, wer ich bin und was ich mag, und mir dementsprechende Angebote unter­breiten. Es ist jetzt schon teilweise so, aber das wird wahrscheinlich noch sehr viel intelligenter werden.

B. H.: Der ganz grosse Rahmen des Lebens wird sich nicht wahnsinnig verändern, die grossen Themen der Menschen wie Liebe, Beziehung, Arbeit oder Selbstverwirklichung bleiben die gleichen.

D. W.: Im Alltag wird sich noch einiges ändern, in vielen Geschäften wird es kein Personal mehr brauchen, weil Kunden ihre Ware selbst scannen oder online bestellen. Berufe werden verschwinden und neue entstehen.

Die Geschichte der Axiamo GmbH beginnt mit einem Forschungsprojekt zwischen dem Institute for Human Centered Engineering HuCE der BFH und der Eidgenössischen Hochschule für Sport Magglingen EHSM aus dem Jahr 2010. Die drei studierten Elektroingenieure Michael Gasser, Benjamin Habegger und Damian Weber haben im Rahmen dieses Projekts die erste Version eines Sensors für Feldstudien im Bereich Bewegungsmonitoring entwickelt. Das positive Resultat sowie die gute Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Sportwissenschaftlern und Trainern haben die drei Ingenieure motiviert, mit diesem vielversprechenden Analysesystem im März 2015 die Axiamo GmbH mit Sitz in Nidau zu gründen. Heute entwickelt und vertreibt das Startup diverse Bewegungssensoren für den Einsatz im Sport. Die Produkte unterstützen Trainer und Athleten in ihrer Arbeit durch Feedback von objektiven Leistungsdaten zur Trainingssteuerung und zum Monitoring.

www.axiamo.com

Es gibt verschiedene Studien, die sagen, dass durch die Digitalisierung Tausende Jobs verlorengehen. Wie beurteilen Sie das Risiko einer gesellschaftlichen Spaltung?

B. H.: Die Schere zwischen tief und hoch qualifizierten Arbeitskräften wird sich vermutlich noch weiter öffnen. Insgesamt nützt die Digitalisierung der Wirtschaft, und es wird mehr neue Jobs geben, als dass alte verschwinden. Voraussetzung ist, dass man immer höher qualifiziert wird, und dafür bringen nicht alle Menschen dieselben Fähigkeiten mit. Deswegen wird es vielleicht einen gesellschaftlichen Wandel geben müssen und die Frage gelöst werden, wie wir die Effizienzgewinne verteilen.

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Der Sensor (im Bild rot zu erkennen) misst Bewegungs- und Leistungsparameter. Dadurch kann das Training optimiert werden.