Digital
durch die Krise führen

Text: Redaktion ceo | Bilder: Marc Wetli | Magazin: Work in progress – November 2020

Logistik und Transport haben ihre lebenswichtige Funktion für die Weltwirtschaft während der globalen Pandemie unter Beweis gestellt. Mit Kühne+Nagel ist ein Schweizer Unternehmen ganz vorne dabei. CEO Detlef Trefzger führt den Konzern mit ruhiger Hand durch die schwierigen Zeiten. Er setzt auf digitale Technologie, das Know-how seiner Teams sowie ein gemeinsames Wertefundament – und trimmt das Unternehmen konsequent auf Nachhaltigkeit.

So etwas hat Detlef Trefzger in seinen sieben Jahren als CEO von Kühne+Nagel noch nicht erlebt. Im sonst emsigen Hauptsitz des global tätigen Logistikunternehmens Kühne+Nagel in Schindellegi hoch über dem Zürichsee herrscht Ende Mai Stille. Trotzdem ist das Unternehmen keine Sekunde stillgestanden. Nirgends ist der internationale Handel unternehmensseitig zum Erliegen gekommen. Die Dienstleistungen konnten, wo immer von gesetzlicher und Kundenseite möglich, nahtlos erbracht werden, sagt Trefzger, der eine weltumspannende Organisation mit rund 80 000 Beschäf­tigten in über 100 Ländern leitet.

«Führung bedeutet klare Ziele zu setzen und das Team zu motivieren, diese zu erreichen.»

Die grosse Mehrheit der Kühne+Nagel-Mitarbeitenden arbeitete zu diesem Zeitpunkt im Home-Office. Das Unternehmen kommt gut zurecht mit den Rahmenbedingungen, die der Shutdown der Wirtschaft im ersten Halbjahr 2020 in vielen Staaten mit sich brachte. Denn die Belegschaft ist schon seit längerem mit einheitlichen digitalen Systemen und einer Kommunika­tionsplattform mit Videotelefonie vernetzt.

Belegschaft im «Remote-Modus»

Auch wenn man nicht vorhersehen konnte, welche Folgen die Pandemie nach sich ziehen würde: Kühne+Nagel war vorbereitet, nicht zuletzt dank rechtzeitig getätigter Investitionen in die Kommunikations-
und Informatikinfrastruktur, aber auch in das Know-how der Teams. Innerhalb kurzer Zeit wurden rund um die Welt 45 000 Angestellte, mehr als die Hälfte der gesamten Belegschaft, in den «Remote-Modus» versetzt – unterstützt durch konzernweite Business-Continuity-Pläne. Eine logistische Meisterleistung. Trefzger selbst hatte schon früh eine Vorahnung, dass da etwas auf das Unternehmen und die Welt zukommen könnte. Von dem Virus habe er erstmals zum Jahreswechsel gehört. 5’500 Beschäftigte arbeiten allein in China für den Konzern, der auch in Wuhan in der Provinz Hubei vertreten ist.

Dr. Detlef Trefzger (57) ist seit 2013 CEO des Transportlogistik-Konzerns Kühne+Nagel. Trefzger war zuvor unter anderem beim Logistik-Dienstleister Schenker, im Siemens-Konzern und bei Roland Berger & Partner tätig.

Für unser Gespräch zum Thema Arbeitswelt der Zukunft schlägt Detlef Trefzger wie selbstverständlich das Videotelefon als Kanal vor. Die bereits vor einiger Zeit bei Kühne+Nagel eingeleitete digitale Transformation wurde durch die COVID-19-Krise nochmals beschleunigt – und damit auch die Nutzung digitaler Kommunikationstechnologien. Schnelles Internet und sichere Datenverbindungen, wie sie bei uns üblich sind, stehen aber nicht in allen Winkeln der Erde selbstverständlich zur Verfügung. Auch bei Kühne+Nagel wirkten sich die tiefere Produktionsleistung und die geringere Nachfrage weltweit auf das Geschäft aus, doch die Auswirkungen der Krise waren weniger gravierend als anderswo.

Digitale Plattformen treiben die Effizienz

Das Unternehmen befindet sich seit mehreren Jahren in einem gezielten Transformationsprozess – basierend auf dem Zusammenspiel von Kunden, Technologie und Mitarbeitenden. Dabei kann Detlef Trefzger auf einer Kultur des Vertrauens und der Eigenverantwortung aufbauen. Schon vor dem Ausbruch der Krise sei die Belegschaft sehr digital unterwegs gewesen, sagt der CEO. So erlaube es die konzernweit verwendete interne Kollaborationsplattform, jederzeit den Überblick zu behalten. Dank dieser Plattform haben alle Zugang zu wichtigen internen Informationen; auch der CEO ist regelmässig im Austausch mit der weltweiten Belegschaft, per Video über die «CEO Talks». Die Beiträge würden die gemeinsamen Werte festigen, aber konkret auch die Abläufe und das Arbeiten verbessern und erleichtern. Was von Relevanz sei, werde auch wahrgenommen. Die interne Plattform treibe die Effizienz über das ganze Unternehmen, betont der Konzernleiter.

Ein hoher Stellenwert für die interne Fortbildung

Unabdingbar sei es, so Trefzger, dass sich die Beschäftigten permanent weiterbilden könnten und dass sie offen blieben für Neues. Das Thema Fortbildung geniesse intern einen hohen Stellenwert. Und für die über 1000 Auszubildenden gebe es besondere Programme, um sie an die Systeme heranzuführen. Führungskräfte jeder Stufe müssten ihren Mitarbeitenden Gelegenheit geben, sich für die ständig verändernden Anforderungen der neuen Technologien zu qualifizieren. Die hauseigene Plattform ermöglicht es den Beschäftigten, bei freier Themenwahl indi­viduelle Lehrpläne zu definieren. Das fördere selbständiges Lernen, auch ausserhalb des Büros.

1890 von August Kühne und Friedrich Nagel in Bremen gegründet, zählt Kühne+Nagel heute mit mehr als 1400 Niederlassungen in über 100 Ländern und rund 80 000 spezialisierten Mitarbeitenden zu den global führenden Unternehmen seiner Branche. Das 130 Jahre alte Unternehmen mit Sitz in Schindellegi (SZ) erreichte im Jahr 2019 einem Umsatz von 25 Mrd. CHF.

home.kuehne-nagel.com

Die Kultur des Familiären bewahren

Ein gemeinsames Wertefundament innerhalb des Unternehmens ist Grundlage dafür, dass auch in schwierigen Zeiten alle am gleichen Strang ziehen. Glaubwürdige Führung benötige nachvollziehbare Grundsätze und Leitplanken für Verhalten und gute Governance. Trefzger sieht seine Aufgabe darin, diese Werte vorzuleben, andere mitzunehmen und zu motivieren. Bei der Führung gehe es stets um den Menschen, betont er, um Individuen, die in eine grosse Organisation eingebunden sind. Er setze alles darauf, den Zusammenhalt zu fördern, und dabei das Familiäre zu bewahren, das in dem 130-jährigen Unternehmen ein wesentlicher Bestandteil seiner Kultur ist. Menschliches dürfe nie zu kurz kommen, sagt der Topmanager. Er führt unprätentiös und mit ruhiger Hand. Deshalb hat er lieber andere gebeten, seinen Führungsstil zu beschreiben: «Authentisch, neugierig, zuverlässig» seien Attribute, die ihm zugeordnet werden.

«Bei Führung geht es immer um den Menschen, um Individuen.»

Eine Frage des Vertrauens

Die vergangenen Monate hätten zudem gezeigt, wie wichtig Vertrauen sei, sagt Detlef Trefzger. Kunden weltweit vertrauten Kühne+Nagel ihre Produkte an; mitunter lebenswichtige Güter wie Pharmazeutika. Seit Jahresbeginn habe Kühne+Nagel 17 000 Tonnen Schutzausrüstung transportiert.

Die Mitarbeitenden wiederrum stellen sicher, dass die Güter auch in Pandemiezeiten auf dem best- und schnellst­möglichen Weg von A nach B finden. Die Planung erfolgt über die eigenen digitalen Plattformen sowie über Videokonferenzen. Auf diesem Weg hätten sich Kollegen kennengelernt, die sich sonst nie getroffen hätten. Viele neue Kontakte seien so entstanden. Das Arbeiten im Home-Office habe gezeigt, dass es funktioniert, teilweise aber auch als anstrengend wahrgenommen werde.

Auch in der Zeit nach der Pandemie werden digitale Lösungen viele Geschäftsreisen ersetzen, ist Detlef Trefzger überzeugt. Das spielt dem Manager aus einem anderen Grund in die Karten, denn er trimmt Kühne+Nagel konsequent auf Nachhaltigkeit. Auch in Pandemiezeiten hält er an seinem Ziel fest, die eigenen Aktivitäten von Kühne+Nagel noch dieses Jahr CO2-neutral zu machen. Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben, das nur über das gemeinsame Wertefundament erreichbar ist, das Kühne+Nagel ausmacht. Denn: «Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen.»

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Dr. Detlef Trefzger - Ganz persönlich

Wo standen Sie vor 20 Jahren in Ihrem Leben?
Schon damals war ich in einer Vorstandsrolle tätig, als Finanzchef eines grossen Logistikers für Südosteuropa. Es war die Zeit der wirtschaftlichen Öffnung nach Osten und Süden und die Jahrtausendwende, faszinierend.

Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass Sie heute CEO sind?
Man kann und sollte das nicht planen – man muss wissen, was man will und was nicht. Aber es hilft, wenn man gerne Verantwortung übernimmt und führt, andere wertschätzt und sich als Teil eines Teams versteht.

Was wünschen Sie sich für die Arbeitswelt der Zukunft?
Dass trotz Technologie die menschlichen Kontakte nicht zu kurz kommen. Zudem hoffe ich, dass auch in Pandemie-Zeiten Umwelt­themen in der Arbeitswelt nicht untergehen.

Ihr persönlicher Karrieretipp für Mitarbeitende und Nachwuchskräfte?
Menschlich und authentisch bleiben. Führung bedeutet klare Ziele zu setzen und das Team zu motivieren, diese zu erreichen. Karriere kann man jedoch nicht erzwingen. Die Menschen sind nun einmal unterschiedlich. Wir haben deshalb bei uns im Unternehmen zwei unterschiedliche Karrierewege geschaffen, einen Expertenweg und einen Weg mit Führungsverantwortung.