Machen wir das Thema Nachhaltigkeit überflüssig

Der führende Partner von PwC Schweiz für Anlegerberichterstattung und Nachhaltigkeit strebt an, sich selbst überflüssig zu machen – zumindest auf lange Sicht. Vor Kurzem sprach er mit dem CEO Magazin über den Stand der Dinge punkto Nachhaltigkeit.

Magazin: Grüne Chance – November 2021

Wir hören viele Unkenrufe über das Schicksal der Erde, doch hier in der Schweiz sind Luft und Wasser viel sauberer als vor ein paar Jahrzehnten. Ist das ein Widerspruch?

Das ist vielleicht ein gefühlter Widerspruch, aber kein wirklicher. Der Klimawandel ist per Definition ein globales Thema, aber jeder sieht ihn aus seinem eigenen Blickwinkel. Ja, hier in der Schweiz haben wir saubere Luft und sauberes Wasser, und das ist sicherlich gut so. Zu welchen Erkenntnissen kommen wir aber, wenn wir unsere Böden oder Gletscher betrachten? Bei der Nachhaltigkeit geht es wirklich um das Schicksal der Erde. Warten wir also nicht, bis es zu spät ist, sie zu erhalten. Handeln wir, solange wir noch Zeit haben, bevor sich die Bedingungen dauerhaft zum Schlechteren wenden.

Müssen wir weniger oder eher auf andere Art und Weise konsumieren? Was bedeutet das für den Durchschnittsbürger?

Wir leben in einer Welt, in der man kaum jemandem sagen kann, was er zu tun oder zu lassen hat. Die Schulung der nächsten Generationen wäre eine Möglichkeit, die Verhaltensweisen zu ändern. Aber was können wir jetzt tun? Ehrlich gesagt müssen wir unseren Konsum reduzieren und wir müssen bestimmte Arten von Konsum stärker einschränken als andere. Es ist schwierig, eine bestimmte Art von Konsum herauszugreifen. Aber, um nur ein Beispiel zu nennen, der Fleischkonsum muss wohl zurückgehen. Weniger Quantität bedeutet jedoch nicht weniger Qualität. Beim Vergleich der heutigen Essgewohnheiten gegenüber jenen vor einigen Jahrzehnten stellen wir fest: Heute gibt es viel mehr Speisen zum Mitnehmen und wesentlich mehr Fertiggerichte. Das Verhalten verändert sich im Laufe der Zeit, und wir müssen diese Veränderung steuern. Für den Durchschnittsbürger kann das ein Dilemma darstellen. Die meisten Menschen möchten das Richtige tun, doch umweltfreundlichere Produkte sind in der Regel auch teurer. Im Zuge der Popularisierung dieser Produkte dürften ihre Preise aber fallen. Das erleichtert die Verhaltensänderung, die schliesslich zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird.

Christophe Bourgoin
Partner, PwC Schweiz

PwC hat sich mit dem WWF zusammengetan, um für die «Kreislaufwirtschaft als neue Normalität» in der Schweiz zu werben. Wie werden Schweizer Unternehmen einbezogen?

Nur rund 10 Prozent des Ressourcenverbrauchs in der Schweiz sind heute zirkulär. 90 Prozent sind es also nicht. Das zu ändern, ist ein ehrgeiziges Ziel. Zur Erinnerung: Die Schweiz hat sich schon seit Langem wegen ihrer Abhängigkeit von ausländischen Ressourcen Sorgen gemacht. Die Kreislaufwirtschaft ist eine Möglichkeit, dieses Risiko zu mindern und die Ressourcenversorgung zu internalisieren. Zunächst klang das vielleicht zu idealistisch, doch die Unternehmen beginnen allmählich, die damit verbundenen Wachstumschancen zu erkennen. Seit einigen Monaten greifen sie das Thema Kreislaufwirtschaft auf und fragen, wie sie es umsetzen und in ihre Strategie integrieren können, um bestehende Geschäftsmodelle anzupassen oder neue zu entwickeln.

Sie kommen aus dem Bereich Corporate Finance. Wie passt das zu Nachhaltigkeit?

Es passt gut! Vor allem, wenn Sie beides sehen und mit Ihren Werten und Zielen verbinden können. Wenn man eine bessere Geschäftstätigkeit anstrebt, gibt es keine Diskrepanz. Nach­haltigkeit und finanzieller Gewinn ergänzen sich, denn kurzfristige Zeithorizonte für Entscheide sind für die langfristige Wertschöpfung in der Regel nicht optimal.

Was steht in Sachen Nachhaltigkeit als Nächstes auf dem Plan?

Ich bin nicht sicher, was als Nächstes ansteht, doch letzten Endes müssen wir das Thema überflüssig machen. Heute befinden wir uns immer noch in einer Phase der Sensibilisierung und Zielsetzung. Nachhaltigkeit muss so im unternehmerischen Denken und der Strategie verankert werden, dass sie nicht mehr separat betrachtet wird, sondern als DNA des Unternehmens und als echter Differenzierungsfaktor.

Christophe Bourgoin, vielen Dank für Ihre Denkanstösse.