Mutige scheitern besser

Magazin: Aus Mut gemacht – Oktober 2022

 

Etwas zu tun, obwohl man damit scheitern könnte, erfordert viel Mut. Denn Scheitern ist in unserer Schweizer Kultur – anders als in anderen Kulturen – immer noch negativ behaftet. Die Geschichten von Unternehmerinnen und ihrem persönlichen Scheitern bieten zum einen die Möglichkeit, etwas aus den Geschichten zu lernen, zum anderen machen sie Mut. Denn nur wer scheitert, hat die Chance auf einen Neubeginn. Das zeigen unsere prominenten Beispiele.

 

«Ohne Misserfolge zu leben ist unmöglich. Es sei denn, du lebst so vorsichtig, dass du genauso gut gar nicht gelebt haben könntest – was  einem totalen Scheitern gleichkommt.»

J. K. Rowling gilt heute als eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Weltgeschichte, auch wenn sie nicht unumstritten ist. Zu verdanken hat sie diesen Erfolg ihrer Romanfigur Harry Potter. Doch der Weg dorthin war steinig. Immer wieder wurde sie von Verlagen abgewiesen. Sie blieb hartnäckig – und das zahlte sich schliesslich aus. Als das Verlagshaus Bloomsbury Publishing sie 1996 unter Vertrag nahm, schaffte sie den weltweiten Durchbruch. Vor einem Scheitern hatte sie nie Angst, denn auch ihr Berufsleben lief bis dahin nicht immer glatt. Aus ihrem Bürojob wurde sie einst gefeuert, weil sie während der Arbeitszeit ständig an ihren Geschichten schrieb.

«Am Ende folge ich ausschliesslich meinem Instinkt. Manchmal mit Erfolg, manchmal nicht. Man muss seinen Überzeugungen treu bleiben.»

Anna Wintour, Chefredakteurin der US-amerikanischen Vogue, ist so etwas wie eine lebende Legende. Dass sie einmal ganz oben auf dem Olymp der Fashionszene landen würde, war nicht von Anfang an absehbar. Nach einer Ausbildung bei Harrods startete die junge Britin ihre journalistische Laufbahn als Redakteurin bei Harper’s Bazaar. Doch nach nur neun Monaten kündigte man ihr wieder. Der Grund: Sie verstehe nichts vom US-Markt. Anna liess sich von diesem Tiefschlag nicht beirren. Seit 1986 ist sie bei der Vogue. Unter ihrer Führung wurde das Blatt zum weltweit einflussreichsten Modemagazin. In «Der Teufel trägt Prada» wurde ihr Leben zur Vorlage für einen Hollywoodfilm.

«Es sind nicht die Erfolge, aus denen man lernt, sondern die Fiaskos.»

Coco Chanel hat die Modewelt des 20. Jahrhunderts geprägt. Doch darauf wies zunächst nichts hin. Die kleine Gabrielle – so ihr ursprünglicher Name – kam aus einfachsten Verhältnissen und wuchs im Waisenhaus auf. Sie wollte als Sängerin Furore machen, scheiterte jedoch mangels Talents. Coco, wie sie sich nun nannte, verlegte sich auf das Schneiderhandwerk und eröffnete 1913 die erste Chanel-Modeboutique in Deauville. Das Startkapital gaben ihr wohlhabende Männerbekanntschaften, in dieser Zeit wohl die einzige Möglichkeit für Coco, an Geld zu kommen. Doch ihren weltweiten Erfolg verdiente sie sich selbst, mit harter Arbeit, eiserner Disziplin und vielen privaten Opfern.

«Statt frisch und fröhlich an unserem Werke zu arbeiten, mussten wir Schritt auf Schritt die tollsten Vorurteile über unser Können besiegen.»

Emilie Kempin-Spyri war die erste Schweizerin, die als Juristin promovierte und habilitierte. Als Anwältin praktizieren durfte sie jedoch nicht. Ihre einzige Chance: 1888 zog sie mit ihrer Familie nach New York. Dort erhielt sie die Zulassung als Professorin und Dozentin und leitete eine eigene Rechtsschule. Doch ihr Mann wollte zurück in die Schweiz und Emilie fügte sich. 1895 ging sie nach Berlin, ihre Ehe scheiterte. Mit nur 48 Jahren starb sie, wohl auch zermürbt. Doch ihr Kampf war nicht vergebens: Ein neues Anwaltsgesetz im Kanton Zürich (1898) ermöglichte Frauen trotz fehlendem Aktivbürgerrecht, den Anwaltsberuf auszuüben. Bundesweit war das erst ab 1923 möglich.