Neue Führung

Lead: Die neue Arbeitswelt erfordert neue Führungskompetenzen

Gefordert, zu fördern

Was hat sich zuerst verändert: der Arbeitsplatz, der Chef oder der Mitarbeitende? Der Wandel findet auf all diesen Ebenen gleichzeitig statt, was von der Führungskraft von morgen in vielerlei Hinsicht ein Umdenken verlangt:

a) Von real zu virtuell: Wir sind von Natur aus soziale und kollaborative Wesen. Eine intensive Zusammenarbeit via Bildschirm aus dem Home-Office ist für uns keine wirklich natürliche Arbeitsform. Doch wir alle können uns anpassen und weiterent­wickeln. Mit klarer Kommunikation, Vertrauen und Engagement kann die Zusammenarbeit in virtuellen Teams schnell zur Selbstverständlichkeit werden.

b) Von Arbeit zu Sinn: Mitarbeitende suchen nach Empathie, dem Bewusstsein persönlich etwas zu bewirken, Sinnhaftigkeit, Wertschätzung der einzelnen Teammitglieder, Charisma und Inspiration sowie einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Das engagierte Talent will wissen, wofür sein Arbeitgebender steht. Führungskräfte sind heute Botschafter von Werten und einer sinnstiftenden Unternehmenskultur. Und sie müssen ihre Teammitglieder im Geist, im Herzen und in ihrem Tun erreichen.

c) Von Instruktion zu Inspiration: Mitarbeitende möchten involviert werden, sich kreativ einbringen, mitreden und so ein Unternehmen aktiv (mit-)gestalten. Sie wollen nicht nur regelmässiges, sondern permanentes Feedback.

d) Von Sicherheit zu Risiko: Heute wird prototypisiert, getestet, gelauncht und gelernt. Deshalb müssen Führungskräfte kollaborativ sowie co-kreativ arbeiten und technische Möglichkeiten wie Robotisierung oder künstliche Intelligenz nutzen.

Die Quadratur des Kreises

Vertikale Führungsstrukturen mit steilen Dienstwegen in nur eine Richtung sind passé. Allerdings wird es auch in Zukunft nicht nur ein Organisationsmodell geben. Unternehmen entwickeln sich zu Netzwerkorganisationen mit vielen Kleinteams und kürzeren Entscheidungswegen. Es zeichnet sich ein Trend hin zu fluiden Formen der Zusammenarbeit mit projekthaften Strukturen ab. Ein Beispiel: Im Organisations­modell der Holokratie (Holocracy) verschwin­den Hierarchien, Fachabteilungen und Titel. Holokratische Unternehmen organisieren sich in Kreisen, die Projekte, Abteilungen oder Geschäftsgebiete repräsentieren. Sie bündeln die Aufgaben in Rollen und teilen jedem Mitarbeitenden mehrere Rollen zu.

Der Wandel braucht Führung

Mit COVID-19 durchleben wir eine noch nie dagewesene disruptive Veränderung. Die neue virtuelle Arbeitswelt ist für viele Unternehmen Neuland und erfordert transformative Führungsfähigkeiten und neuartige Führungs­modelle. Während Unternehmen ihre Geschäftsmodelle und Strategien für die Zeit nach der Pandemie überdenken, brauchen Mitarbeitende mehr denn je eindeutige Spielregeln und klar festgelegte Freiräume. In dieser «neuen Welt» werden Führungskräfte zu Coaches, die motivieren, Sinn vermitteln, Fehler zulassen, Vertrauen schenken und das Team in den Mittelpunkt rücken.

Menschen führen Menschen

Trotz digitaler Tools werden Verhalten und zwischenmenschliche Kompetenzen immer wichtiger. Führungskräfte haben die Chance, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle die Möglichkeit haben, sich an Gesprächen zu beteiligen, sich mit anderen zusammenzuschliessen, neue Ideen zu entwickeln und diese ungehindert zu teilen. Bei Empowered Leadership gewährt die Führungskraft ihren Mitarbeitenden grössere Kreati­vitäts-, Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Inspirierende Führung be­inhaltet, dass Führungskräfte zunehmend als Vorbilder agieren, eine inspirierende Zukunftsvision zeichnen, ihre Mitarbeitenden zu Kreativität ermutigen und sie individuell fördern. Die Verantwortung trägt nicht nur der Chef, sondern das ganze Team (Shared Leadership). Im Modell der 360° Leadership ist die erfolgreiche Führungskraft der Zukunft ein den Wandel begleitender Transformational Leader.

«Inspirierende Führung beinhaltet, dass Führungskräfte zunehmend als Vorbilder agieren.»

Kultur mit Performance

72 Prozent der C-Level-Manager weltweit sind der Meinung, dass sich Mitarbeitende primär wegen der Unternehmenskultur für ein Unternehmen entscheiden.1 Innovative Führungskräfte sollten daher Werte und kulturelle Regeln etablieren, die einer Start-up-Logik folgen. Das heisst: Kreativ sein, etwas wagen, Fehler machen und daraus lernen sind erlaubt und bilden einen neuen Erfolgsmechanismus. Unternehmen mit einer inspirierenden und selbstver­antwortlichen Führungskultur weisen nachweislich höhere Produktivität, stärkere Leistungskennzahlen und ein angenehmeres Betriebsklima auf.

1  «Global Culture Survey», Strategy&, 2018

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Menschen schenken ihr Vertrauen heute aufgrund von zwei Kriterien: dem Einhalten von Versprechen und dem (ethisch) richtigen Verhalten. Ethische Faktoren wie Integrität, Zuverlässigkeit und Zielstrebigkeit bestimmen 76 Prozent des Vertrauenskapitals von Unternehmen.2 Das Aufkommen von Social-Media-Plattformen hat das Vertrauen der Menschen von einer Top-down-Orientierung zu einer horizontalen Ausrichtung zugunsten von Gleichaltrigen oder Gleichgesinnten (Peers) verschoben. In der heutigen turbulenten Welt betrachten Menschen auch ihren Arbeitgebenden als Peer. Wer also in einer leitenden Position Vertrauen geniessen will, muss in Zeiten des Wandels die Führung übernehmen, sich zu Schlüsselthemen klar positionieren, sich öffentlich präsentieren, die Sprache der Mitarbeitenden sprechen, faktenbasiert entscheiden, regelmässig kommunizieren und die Firmenwerte vorleben.

2  «Edelman Trust Barometer», Daniel J. Edelman Holdings, Inc., 2020