Brückenschlag zwischen Tiefgang und Schnelligkeit

Text: Redaktion ceo Magazin | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Der Kunde im Fokus – Januar 2019

Dr. Felix Graf, CEO der NZZ-Mediengruppe, sorgt mit neuen Anwendungen und Formaten in der Informationsflut der digitalen Medienwelt für Klarheit. Und will seine Kunden dabei jeden Tag neu begeistern.

Zu Beginn des Internets wurde der Untergang der gedruckten Zeitung prognostiziert. Es gibt sie noch. Warum?

Der Mensch ist konservativ in seinem Verhalten, er will sich nicht so schnell ändern. Das gedruckte Wort hat eine gewisse Schönheit. Die Zeitung führt den Leser elegant durch die Inhalte: Man kann die Bünde voneinander trennen und mit anderen teilen. Dieses Leseerlebnis lässt sich nicht so einfach in die digitale Welt transferieren.

Wie hat die Digitalisierung den Medienkonsum verändert?

Die digitale Transformation und der Zeitgeist haben neue Nutzungsformen hervorgebracht. Audio und Video wachsen zusammen. Der Gesamtmedienkonsum ist gleichgeblieben, aber er ist granularer geworden und verteilt sich heute auf mehrere Geräte und Medienformen. Kaum jemand liest noch 40 Minuten am Stück die Zeitung.

«Die Digitalisierung hat die Medienwelt gezwungen, kundenorientierter zu werden.»

Was meinen Ihre Kunden?

Viele kämpfen mit dem Informationsüberfluss. Sie wissen nicht, wie sie mit der täglichen Flut an Informationen umgehen sollen. Darum schätzen sie es, dass unsere Medien Kontext liefern, Orientierung geben und sie durch den Informationskonsum begleiten.

Wie reagiert Ihr Unternehmen auf diesen Wandel?

Mit neuen Nutzungsformen für unterschiedliche Geräte. Wir haben neue Formate ins Leben gerufen, in denen wir Inhalte und Kontext mit Videoclips, Audiofiles, Livestreams, Fotos und Text darstellen. Zum Beispiel haben wir neue Kurzformen geschaffen, etwa einen Newsletter mit empfohlenen Tagesaktualitäten. Zudem haben wir eine App entwickelt, mit der man sich die «Neue Zürcher Zeitung» unterwegs vorlesen lassen kann. Eine weitere Neuheit ist ein individualisierter Newsletter. Dabei geben wir zusätzlich zu den Interessengebieten Empfehlungen für Berichte ab, die wir als Medienschaffende für relevant erachten. So kombinieren wir zum Mehrwert für unsere Kunden künstliche und menschliche Intelligenz.

Unsere Herausforderung besteht im Brückenschlag zwischen Tiefgang und Schnelligkeit. Im Print ist der Wandel weniger fundamental, denn Printleser haben ihr Nutzungsverhalten nicht grundlegend geändert. Manche Inhalte – etwa Sportresultate – wurden vollständig in den Online-Kanal verlagert, weil sie dort besser aufgehoben sind.

Dr. Felix Graf (1967) ist seit dem 1. Juni 2018 CEO der NZZ-Mediengruppe. Zuvor war er ab 2012 Mitglied der Geschäftsleitung und ab 2014 CEO der Centralschweizerischen Kraftwerke AG (CKW). Gleichzeitig war er Mitglied der Konzernleitung der Axpo Holding. Von 2002 bis 2009 arbeitete er in verschiedenen Führungsfunktionen für Swisscom. Von 1998 bis 2002 führte er bei McKinsey branchen- und weltweite Beratungsmandate. Graf studierte an der ETH Zürich Physik und Chemie und promovierte in Physik. 2007 wurde er zum Young Global Leader des World Economic Forum (WEF) ernannt. Er ist Vater von zwei Kindern und wohnt in Zürich.

Wie nah sind Sie bei Ihren Kunden?

Hautnah. Anhand von Datenanalysen eruieren wir, welche Artikel die Nutzer in welcher Tiefe lesen und wie lange sie darauf verweilen. Wir sehen, woher sie kommen und wohin sie gehen. Solche Erkenntnisse spielen wir teilweise an unsere Journalisten zurück. Gleichzeitig optimieren wir das Kundenerlebnis laufend.

Der Diskurs mit dem Kunden ist jedoch nicht nur datengetrieben. Wir organisieren Veranstaltungen, bei denen wir uns direkt mit unseren Kunden austauschen, etwa auf der Tour von «NZZ Geschichte» oder am NZZ Swiss International Finance Forum. Unsere Kunden schätzen und suchen den persönlichen Dialog.

Ich selber bin gerne unterwegs und pflege den Austausch sowohl mit Lesern als auch mit Werbekunden. Dabei interessieren mich nicht nur positive, sondern auch kritische Stimmen.

Die digitale Welt ist mehrkanalig und kurzlebig. Welche Bedeutung kommt da einer qualitativ hochstehenden Publizistik zu?

Der Kunde ist frei zu entscheiden, bei wem er was liest. Darum wollen wir unsere Leser jeden Tag von unserer Leistung überzeugen. Das bedeutet nicht, dass wir schreiben, was sie hören wollen. Aber wir wollen wissen, was sie interessiert. Diese Themen kombinieren wir mit unserem publizistischen Auftrag.

Die Digitalisierung hat die oligarchischen Strukturen der Medienlandschaft von früher aufgelöst. Das hat die Medienwelt gezwungen, kundenorientierter zu werden. Die Kommunikation funktioniert immer stärker pyramidal. Ganz oben an der Spitze steht die Essenz. Je tiefer der Leser geht, umso umfassender werden die Informationen. Wir wollen hohe publizistische Qualität über die gesamte Kommunikationskaskade hinweg liefern.

Ob gedruckt, online oder in den sozialen Medien, unter der Woche oder am Sonntag, die NZZ-Mediengruppe bietet hochwertigen Journalismus und vertritt eine liberale Weltanschauung. Sie umfasst derzeit acht Printprodukte und ein vielseitiges digitales und mobiles Informationsangebot. Zu ihrem Portfolio gehören überdies Konferenzen und zahlreiche weitere Veranstaltungen (u. a. das Swiss Economic Forum, NZZ Live sowie das Zurich Film Festival). Die Gruppe erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von 428,2 Millionen Franken und ein Gruppenergebnis von 28,7 Millionen Franken. Sie beschäftigt rund 800 Mitarbeitende.

www.nzz.ch

Welche Vorteile sehen Sie in digitalen Anwendungen gegenüber dem Print?

Printmedien sind endlich. Das heisst, sie können nur einen beschränkten Umfang an Inhalten befördern, vorgegeben durch die Anzahl Bünde, Seiten und Zeichen. Online-Medien sind unendlich. Hier sind weniger Textlängen als vielmehr die Form der Textaufbereitung und das Storytelling entscheidend. In Online-Medien können wir neue Inhalte mit bereits publizierten ergänzen, auf andere verweisen, audiovisuell unterstützen oder andere Meinungen einbinden. Allerdings fehlt hier teilweise die inhaltliche Führung. Diese ist über Bünde und Rubriken einfacher.

Ich verfolge die Vision eines Print-Plus-Produkts, also eines innovativen Online-Produkts, das die digitale Vielfalt und die Führung sowie Haptik eines Printerzeugnisses bietet.

Wie sieht der Medienkonsum in zehn Jahren aus?

Schwierige Frage. Ich glaube, dass die Qualität von Inhalten an Bedeutung zunehmen wird. In der heutigen Vielfalt an Informationen wird viel Unsinn publiziert. Deshalb braucht es Medien und Formate, die zu entscheiden helfen, was gut ist und was nicht. Diese Fähigkeit steigert das Vertrauen in eine Marke. In zehn Jahren wird vieles noch stärker digitalisiert sein und das Nutzungsverhalten komplett anders aussehen. Doch die NZZ wird es immer noch geben – eine Printausgabe übrigens auch.

Sie haben diverse andere Branchen kennengelernt. Was bringt Ihnen Ihr vielseitiger Hintergrund heute?

Ich empfinde ihn als bereichernd. Ich möchte die Logik dieser Branche verstehen und mich mit den Inhalten auseinandersetzen. Das ist harte Arbeit. Bei der NZZ-Mediengruppe erlebe ich enorm viel Intelligenz, Passion und Sinnhaftigkeit. Für mich ist das einzigartig.