«Mein Umfeld gibt
mir Rückendeckung,
um mutig zu sein»

Text: Redaktion ceo | Bilder: www.foto-shooting.ch | Magazin: Aus Mut gemacht – Oktober 2022

Ihre Karriere als Profifussballerin ist von zahlreichen Erfolgen gekrönt. In ihrer neuen Funktion als General Manager beim GC Frauenfussball möchte Lara Dickenmann nicht nur dem eigenen Club zu Höhenflügen verhelfen, sondern den Schweizer Frauenfussball generell stärken. Das erfordert Innovation, Investitionen und nicht zuletzt: Mut.

Ihr Büro am GC Campus in Niederhasli ist bald bezugsfertig. Auch sonst scheint Lara Dickenmann nach einem knappen Jahr als General Manager bei den GC Frauen langsam, aber sicher anzukommen. Als die Schweizer Rekordnationalspielerin nach Beendigung ihrer Profikarriere im vergangegen Jahr das Jobangebot erhielt, zögerte sie zunächst. «GC Frauenfussball ist nicht unbedingt der Verein, den man mit Erfolg im Schweizer Frauenfussball assoziiert. Und er ist etwas chaotisch», schmunzelt sie. Dennoch oder gerade deshalb sah sie grosses Potenzial: «Der Schweizer Frauenfussball ist für mich wirklich eine Herzensangelegenheit. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hinken wir hinterher. Es gibt viel zu tun, und ich möchte meine Erfahrung dazu nutzen, etwas Tolles aufzubauen.»

Pionierin des Schweizer Fussballs

Ihre Erfahrung auf dem Platz kann sich wahrlich sehen lassen: Lara Dickenmann ist die erfolgreichste Schweizer Fussballerin. Keine andere prägte den hiesigen Frauenfussball so sehr wie sie. Ganze acht Mal wurde sie als beste Schweizer Fussballerin des Jahres ausgezeichnet. Als Lara Dickenmann 2019 ihren Rücktritt aus der Schweizer Nationalmannschaft bekanntgab, war sie Rekordnationalspielerin und Rekordschützin.

Phase des Zusammenfindens

Der Wechsel vom Fussballfeld an den Schreibtisch war herausfordernd. Plötzlich führte die Krienserin ein Unternehmen und hatte ein Budget zu verwalten. Ein mutiger Schritt, denn Managementerfahrung, auf die sie sich stützen konnte, hatte Lara Dickenmann nicht. Sie blieb in Wolfsburg, pendelte oder regelte Angelegenheiten per Telefon oder in virtuellen Sitzungen. «Normalerweise kommt man Schritt für Schritt zu dem Posten, den ich jetzt habe. Es gibt wirklich gute Tage und es gibt Tage, an denen ich das Gefühl habe, alles fällt zusammen», sagt sie. Das erste halbe Jahr sei sehr anstrengend und turbulent gewesen. «Der GC ist ein grosser Verein mit zwölf Sektionen. Es dauerte eine Weile, bis ich wusste, wie alles funktioniert. Inzwischen habe ich viel gelernt. Der Austausch ist da und er ist gut. Ich fühle mich im Verein sehr willkommen.»

«Wir müssen daran arbeiten, dass es normal ist, dass in Frauen genauso viel investiert wird wie in Männer.»

Nun soll es für den GC Frauenfussball aufwärtsgehen. Als General Manager sei es ihre Aufgabe, den Frauenfussball innerhalb der Strukturen von GC und GC Fussball zu etablieren und zu fördern. «Im Fussball ist die Förderung der Jungs viel weiter als die der Mädchen. In Frauen sollte genauso viel investiert werden wie in Männer. Wir müssen daran arbeiten, dass das normal wird. Bei Lyon, Barcelona und anderen grossen Vereinen ist das Spielniveau der Frauen genauso gut oder gar besser als das vieler Männermannschaften. Und: Mit Frauenfussball lassen sich heute gute Einnahmen generieren.»

Der GC Frauenfussball ist eine Abteilung innerhalb der Fussballsektion des Grasshopper Club Zürich, die aus dem ehemaligen FCC United Schwerzenbach entstand. Nach der 2008 eingegangenen Zusammenarbeit des FFC United Schwerzenbach und des GC Zürich wurde der Club im Jahr 2009 voll in den GC Zürich integriert. Beim GC Frauenfussball spielen rund 100 Frauen und Mädchen in fünf Teams in den nationalen und regionalen Ligen. Der Spielbetrieb findet (unter anderem) auf dem GC Campus in Niederhasli statt.

www.gcfrauenfussball.ch

Mutig auftreten will gelernt sein

So für den Frauenfussball einzustehen erfordert Mut. Mut, der Lara Dickenmann früher als Spielerin oft fehlte. «Ich habe mir viel gefallen lassen und habe mich nicht getraut, für gewisse Dinge einzustehen.
Mut hatte für mich damals vor allem mit Argumenten zu tun, für die ich nicht die Worte fand», weiss sie rückblickend. Ihre Erfolge und die Erfahrung gaben ihr das Selbstvertrauen für ihre jetzige Position.

In ihrem Umfeld sei es nicht leicht, zu vermitteln, dass der Frauenfussball nicht nur seine Daseinsberechtigung hat, sondern auch Mehrwert für den Gesamtverein bietet. Davon ist Lara Dickenmann fest überzeugt: «Im Frauen- und Männerfussball kann man voneinander lernen und gegenseitig profitieren.» Sie freut sich, dass es beim GC bisher in die richtige Richtung geht. «Aber man will ja immer, dass es schneller klappt», fügt sie lachend an.

«Mut haben ist mit das Schwierigste, aber auch mit das Wichtigste für die eigene Persönlichkeit.»

Eine persönliche Mutprobe

So mutig wie heute war Lara Dickenmann nicht immer. «Mit 14 Jahren habe ich gemerkt, dass ich Frauen mag. Ich wünschte, ich hätte damals schon dazu stehen können.» Lange Zeit schweigt sie zu diesem Thema. Erst mit 32 wagt sie den öffentlichen Schritt und outet sich 2018 in der Dokumentation «Lara Dickenmann liebt Fussball und Frauen». Das habe ihr sehr viel Mut abverlangt, erzählt sie. «Durch diese intimen Einblicke kam ich mir nackt vor. Aber ich wollte, dass das Thema Homosexualität sichtbarer wird. Ich wollte ein Vorbild sein, denn in meiner Jugend fehlten mir lesbische Identifikationsfiguren.»

Lara Dickenmann (36) entdeckte mit sechs Jahren ihre Leidenschaft für Fussball. Erste Erfolge feierte die Krienserin beim DFC Sursee, ehe sie ein Stipendium an der Ohio State University in Columbus antrat. Anschliessend ging sie zu Olympique Lyon und gewann siebenmal die französische Meisterschaft und zweimal die Champions League. 2015 kam der Wechsel zum VfL Wolfsburg, wo sie viermal den deutschen Meistertitel und sechsmal den Cupsieg holte. 2019 trat sie aus dem Schweizer Nationalteam zurück – mit 135 Länderspielen und 53 Treffern. 2021 beendete sie ihre Karriere als Profispielerin und übernahm die Position als General Manager beim GC Frauenfussball. Lara Dickenmann ist mit ihrer ehemaligen Teamkollegin Anna Blässe verheiratet. Im Sommer 2022 zogen sie von Wolfsburg in den Aargau.

Facettenreiches Vorbild

Das Coming-out sei eine Befreiung gewesen und habe ihr gutgetan, sie habe gelernt, zu sich zu stehen. Heute nutzt Lara Dickenmann diese Erfahrung und macht anderen Mut. Als Botschafterin der Laureus Stiftung Schweiz, welche Kinder und Jugendliche über soziale Sportprogramme fördert, setzt sie sich für das Thema Mädchenförderung ein. «Ich möchte Mädchen und junge Spielerinnen darin bestärken, an sich und ihre Träume zu glauben. Man kann alles erreichen, was man will. Man muss dafür etwas tun, aber theoretisch ist alles möglich!»

Nach ihrer Vorbildfunktion als Spielerin hofft Lara Dickenmann nun, als starke Frau inspirieren zu können. Und als starke Managerin, die den GC Frauenfussball zukünftig zum Erfolg führt. Denn es ist ihr ein Anliegen, dass Fussballerinnen selbstbewusster werden und sich mehr zutrauen. 

Lara Dickenmann – Ganz persönlich

Beim Begriff «Mut» denke ich als Erstes an …
Kampf.

Mut hat für mich die Farbe …
Schwarz.

Mein Mut-Vorbild ist …
meine Frau.

Dieses Tier verkörpert meinen persönlichen Mut am besten …
ein Wolfsrudel.

Wer mutig entscheiden will, muss …
sich trauen und einfach machen.