Das Bekenntnis zu
Weiterbildung ist entscheidend

Text: Redaktion ceo | Bilder:  Markus Bertschi | Magazin: Work in progress – November 2020

Marianne Janik, CEO von Microsoft Schweiz, engagiert sich für eine Kultur der permanenten Weiterbildung. Mutig sein, sich etwas trauen und Lernen als persönliche Bereicherung empfinden, gelte nicht nur für ihre Angestellten, sondern auch für die Partner und Kunden des Technologieunternehmens.

Die Begrüssung ist herzlich, erfolgt aber ohne Handschlag, sondern in Zeiten von Corona mit der buddhis­tischen Grussgeste, den gefalteten Händen. In den Büros von Microsoft Schweiz in Wallisellen bei Zürich, wo nach wie vor strenge Hygieneregeln gelten, empfängt uns Marianne Janik zum Gespräch. Lebenslanges Lernen, das «Digital Upskilling» und die Zukunft der Arbeitswelt sind unsere Themen.

In einer Welt, die zusammenwächst und sich zugleich rasch verändert, seien vernetztes Denken, Kreativität und Urteilsfähigkeit von wachsender Bedeutung, sagt die 55-jährige Managerin, die seit 2015 die Landesgesellschaft Schweiz des US-Konzerns leitet. Technologie und Automatisierung würden dabei eine besondere Rolle spielen: «Wir sind mehr und mehr umgeben von Sensorik. Datenmengen und Rechenleistung nehmen exponentiell zu.» Diese Dualität von Mensch und Maschine wirke sich ebenso auf die Gesellschaft aus wie auf die Unternehmenskultur und geltende Führungsprinzipien, meint Marianne Janik.

Ihre Aufgabe sieht die gelernte Juristin darin, den Führungspersonen und Teams die richtigen Programme und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, mit denen Lernen möglich und attraktiv gemacht wird. Nötig seien diese Angebote aber auch für die Kunden und die rund 4600 hiesigen Partnerfirmen. Die Eigenverantwortung jedes Einzelnen, sich weiter­zubilden, gelte es in diesem Netzwerk zu stärken.

Positive Veränderung

«Genau wie in jedem anderen Unternehmen wird auch bei uns hin und wieder die Frage nach dem Sinn und Umfang dieses Lernangebots gestellt», sagt Janik. Doch die Einstellung in Bezug auf «Digital Upskilling» bei den rund 620 Microsoft-Beschäftigten in der Schweiz verändere sich zum Positiven. Viele begreifen es als Chance und sind stolz auf die Lernerfolge. Abzulesen sei dies auch an den Botschaften in den sozialen Medien. «Mich freut, was unsere Mitarbeitenden dort kommunizieren», berichtet die Chefin.

«Wir müssen eine zunehmend komplexe Technologie verstehen und beherrschen. Mit künstlicher Intelligenz und Quantencomputern kommen Bereiche hinzu, die sehr spezifisches Wissen erfordern.»

Leistungsdruck dürfe es dabei aber nicht geben. Wer ein Zertifikat nicht auf Anhieb erlangt, könne es nochmals versuchen. Nicht jeder sei gleich schnell und aufnahmefähig. Und es gibt viel zu lernen, die künftig benötigten Fähigkeiten sind anspruchsvoll. «Wir müssen eine zunehmend komplexe Technologie verstehen und beherrschen. Mit künstlicher Intelligenz und Quantencomputern kommen Bereiche hinzu, die sehr spezifisches Wissen erfordern», sagt Marianne Janik.

Marianne Janik (55) ist seit 2015 CEO von Microsoft Schweiz. Zuvor war sie vier Jahre als Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland für die Bereiche öffentlicher Sektor, Bildung und Gesundheitswesen verantwortlich. Die gebürtige Französin ist promovierte Juristin. Ihre Laufbahn begann sie bei Daimler Benz und EADS. Marianne Janik engagiert sich stark für den digitalen Wandel in der Schweiz, insbesondere in den Bereichen Innovation, Sicherheit und Aus- und Weiterbildung. Sie ist Mitglied des Executive Committee von digitalswitzerland und im Vorstand der Verbände ICT Switzerland und ASUT. Marianne Janik ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Emotionale Arbeit ist wichtig

Fähigkeiten wie die Selbstorganisation von Teams und das Projektmanagement werden wichtiger. Eine Führungskultur, die zum Lernen ermuntert, sei dafür die Basis. «Hier werden wir weiter investieren», verspricht die Chefin. Der Aufwand sei gross, aber es lohne sich, das Potenzial im Unternehmen zu mobilisieren. Dazu gehöre, die nötigen Freiräume zu schaffen, um Kreativität und vernetztes Denken zu fördern.

Das bedinge auch, die Führungskräfte anzuleiten, mehr emotionale Arbeit zu leisten. Marianne Janik sieht Microsoft Schweiz erst auf dem halben Weg dorthin. «Wir haben definitiv noch Luft nach oben», sagt sie. Es sei ein kontinuierlicher Prozess. Auch sie wisse nicht, wie die Welt von morgen aussehe. Mit den Produkten des US-Konzerns sei man aber nahe dran an der technologischen Entwicklung: «Lernen macht uns fit für die Zukunft».

Gruppenerlebnis in den Lernwochen

Innerhalb der Firma sei es wichtig, Transparenz zu schaffen und die nötige Zeit zum Lernen bereitzustellen. So habe man «Lernwochen» eingeführt. Bewährt habe sich, ein Gruppenerlebnis zu schaffen, auch wenn jeder Einzelne vor dem Bildschirm lernt. Weil sich die Teilnehmenden gegenseitig unterstützen, liessen sich so Niveauunterschiede ausgleichen.

Bei den Lerninhalten stehe das Thema Cloud-Services im Mittelpunkt, berichtet Janik. Für diese Kurse gebe es Prüfungen und Zertifikate. Wichtig sei darüber hinaus Projektmanagement und Coaching. Beides ist auch für Personen ohne Führungsfunktion von Wert. Microsoft Schweiz unterscheidet zwischen Pflichtprogrammen für alle und personalisierten Angeboten.

In erster Linie geht es beim «Digital Upskilling» darum, die Leute zu befähigen, sich mehr zu trauen. Sie sollen Lernen als persönliche Bereicherung begreifen und sich bereit fühlen für die Aufgaben der Zukunft, wünscht sich die Chefin. Das Bekenntnis zu Weiterbildung sei in allen Unternehmen entscheidend. Eine entsprechende Lernkultur zu schaffen, sei Chefsache. Janik hat die Erfahrung gemacht, dass die CEOs von diesem Thema oft zu weit weg sind. «Sie müssen mehr tun als heute und dürfen keine Angst vor der Detailarbeit haben. Es geht um lernen, lernen, lernen.»

«Datenmengen und Rechenleistung nehmen exponentiell zu. Und wir sind mehr und mehr umgeben von Sensorik.»

Zwischen zwei Welten

Auch in ihrem Unternehmen fallen die Reaktionen auf das Angebot unterschiedlich aus. Das sei kein Wunder, schliesslich sind bei Microsoft Schweiz Menschen aus 40 Nationen tätig. «Wie im ganzen Konzern zeigen sich auch bei uns kulturelle und regionale Unterschiede», sagt die mehrsprachige Kosmopolitin. Hochqualifizierte Leute zu finden sei eine Herausforderung für Microsoft. Denn der Wettstreit um die guten Talente vollzieht sich weltweit. «Die Schweiz hat viel zu bieten», meint Janik mit Blick auf das Bildungssystem. Wichtig sei, dass Talente aus anderen Ländern hier bleiben könnten, insbesondere ausländische Studenten nach ihrem Abschluss.

Generell wird die physische Präsenz im Büro an Bedeutung verlieren. Die Leute gehen heute entspannter mit der Technik um, bemerkt Janik. Heute gebe es beispielsweise kaum noch Bedenken, die Kamera des Laptops in der Privatwohnung zu aktivieren. Schon jetzt ist dank der Cloud der Zugriff auf alle Daten weltweit möglich. Damit steige aber auch die Selbstverantwortung. Sie sehe es als positives Zeichen, dass es bisher keinerlei Hinweise darauf gebe, wonach die gewährten Freiräume zu Missbrauch führen.

In der Schweiz ist Microsoft seit 1989 präsent. Die Landesgesellschaft des Softwarekonzerns aus Redmond/Kalifornien, zu dem auch LinkedIn und Github gehören, zählt an den Standorten Wallisellen, Bern, Basel und Genf rund 620 Beschäftigte.

www.microsoft.com

Die Zukunft ist nicht mehr weit weg

Eine der Konsequenzen dieser neuen Arbeitswelt sei, dass künftig weniger Bürofläche benötigt werde. Die physische Begegnung untereinander bleibe aber wertvoll, sagt Janik. Microsoft Schweiz zügelt nächstes Jahr in die Grossüber­bauung «The Circle» am Flughafen Zürich. Derzeit wird dort an der Einrichtung der Büros gearbeitet. Geplant wird vorerst für die nächsten zehn Jahre, wobei die Nutzung der Räume flexibler sein wird, und es wird mit häufigeren Umbauten als bisher gerechnet.

«Wie im ganzen Konzern zeigen sich auch bei Microsoft Schweiz kulturelle und regionale Unterschiede.»

Einen Ausblick in die Zukunft, der über das nächste Jahrzehnt hinausgeht, will Marianne Janik nicht wagen: «Das wäre reine Spekulation», sagt sie. Was aber sicher sei: Der Mensch bleibt Mensch. Die Vielfalt an benötigten Fähigkeiten nehme ebenso zu wie die Diversität, auch über die Generationen hinweg. «Es wird mehr Menschen geben, die auch im Alter von 70 Jahren noch produktiv sein können und wollen.» An Bedeutung gewinnen wird zudem der Blick auf die Bedürfnisse des Einzelnen und der Umgang mit Emotionen.

«Wir werden lernen, mit der Robotik und künstlichen Intelligenz umzugehen, die uns im Alltag zunehmend begleiten werden», glaubt sie. Es gelte, das Zusammenspiel von Mensch und Maschine so zu gestalten, dass der Nutzen erkennbar bleibt. Für die Arbeit werde es neue Formen der Kollaboration geben, Video-Sitzungen etwa, den Einsatz von Avataren und neue Haptik-Erlebnisse. «Software wird uns helfen, die Sprachbarrieren zu überwinden. All diese Dinge liegen zeitlich nicht mehr sehr weit weg.»

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Marianne Janik - Ganz persönlich

Wo standen Sie vor 20 Jahren im Leben?
Für mich war es damals eine ebenso aufregende Zeit wie heute. Es war der Aufbruch in ein neues, digitales Zeitalter, in dem viel Geld für verrückte Ideen gesammelt wurde und in dem einige mutige Entscheide getroffen wurden.

Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass Sie heute CEO sind?
Nicht konkret. Aber die Herausforderung bei der Arbeit suchte ich auch damals schon. Mein heutiger Job kommt mir manchmal vor wie ein Traum.

Was wünschen Sie sich für die Arbeitswelt der Zukunft?
Technologie ist und bleibt ein wichtiger Treiber für die Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft. Es inspiriert und motiviert mich ungemein, an dieser wichtigen Schnittstelle gemeinsam mit unseren Partnern und Kunden etwas mitgestalten zu dürfen. Ich hoffe, dass ich dieses Gefühl weitergeben kann und andere ebenso fühlen.

Weshalb erfüllt Sie Ihre Arbeit?
Wenn es mir gelingt, den richtigen Weg für meine Mitarbeitenden, für das Unternehmen und für mich zu finden, freut mich das.

Was schätzen Sie ganz besonders an Ihrem Arbeitgebenden?
Dass er mir einen hohen Freiheitsgrad zugesteht, etwas, was man von einem grossen US-Konzern nicht unbedingt erwartet. Und dass ich meine Rolle weitgehend selbst definieren kann.

Wie halten Sie Ihre «Work-Life-Balance»?
Über die Jahre habe ich gelernt, Familie und Freizeit mit der Arbeit gut zu verbinden.

Wie steht’s um Ihr persönliches «Digital Upskilling»?
Ich reserviere mir mindestens einen halben Tag pro Woche dafür und lese sehr viel. Zu Zukunftsthemen suche ich mir laufend neue Publikationen.

Ihr persönlicher Karrieretipp an Arbeitnehmende?
Die Augen aufhalten für Möglichkeiten und Angebote, die kommen. Und dann sorgsam wählen, mit wem man arbeiten möchte.