«Das Vertrauen wächst exponentiell»

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Ohne die Digitalisierung gäbe es seine Firma nicht. Und ohne das Vertrauen in die digitalen Möglichkeiten hätte Tobias Häckermann keine Kunden. Sein Produkt digitalisiert die bis anhin zeitraubende Gremienarbeit.

Text: Sandra Willmeroth | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Vertrauen im digitalen Zeitalter – Dezember 2017

«Digitalisierung heisst nicht, bestehende Prozesse eins zu eins vom Papier aufs Tablet zu transferieren, sondern mit den digitalen Möglichkeiten gänzlich neue Prozesse zu entwickeln», sagt Tobias Häckermann. Der studierte Rechtswissenschafter ist Kopf der Firma Sherpany, die mit einem digitalen Boardroom die Arbeit im und für Verwaltungsräte und ähnliche Gremien vereinfacht. «Jeder findet blitzschnell alle relevanten Unterlagen, kann diese thematisch abarbeiten, Notizen anbringen, sich mit anderen Mitgliedern des Rates darüber austauschen und natürlich auch elektronisch abstimmen», erklärt der zweifache Unternehmer Häckermann. Rein theoretisch braucht es gar kein physisches Zusammentreffen eines Verwaltungsrates mehr.

«Vertrauen ist das A und O meines Geschäftes und ich vertraue auf die digitalen Möglichkeiten.»

«Digital transformieren heisst manchmal auch einen Schritt zurück machen», sagt Häckermann und meint damit, dass vorhandene Prozesse angepasst werden müssen. Diesen Mut zur Anpassung hat er selber lernen müssen mit seiner Firma, die zuerst Agilentia hiess, 2013 zu Sherpany umgetauft wurde und sich im schwierigen Jahr 2015 restrukturierte. Schwierig, weil das einstige Herzstück der Firma, eine Plattform für die Information und Interaktion mit den Aktionären börsenkotierter Firmen, bei der Zielgruppe nicht ganz so ankam, wie es sich die Erfinder erhofft hatten. Sie hatten die Plattform als eine Art Facebook für Aktionäre entwickelt, wo offizielle Informationen der gelisteten Firmen zugänglich sind, die den Aktionären die Möglichkeit bieten, sich untereinander via Kurznachrichten auszutauschen und wo sie ihre Stimmen für die Generalversammlung elektronisch abgeben können. Die Plattform wurde aber von den Aktionären nicht so rege genutzt, wie Häckermann sich das vorgestellt hatte. «Wir mussten akzeptieren, dass weder Gesellschaften noch Aktionäre zum jetzigen Zeitpunkt bereit sind, auf den Digitalisierungszug aufzuspringen – auch wenn dieser sich wohl nicht mehr aufhalten lässt.»

Tobias Häckermann, geboren 1984, wuchs in Küsnacht ZH auf und lebt im Kanton Zürich. Im Alter von 18 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen, Swiss Protection Services, aus dem er 2011 aus der Geschäftsleitung ausstieg. Häckermann studierte Rechtswissenschaften in Zürich und Siena und gründete noch als Student sein zweites Unternehmen, Agilentia, aus dem 2013 die Sherpany AG wurde. Häckermann ist Analytiker, technikbegeistert und treibt seit seiner Kindheit aktiv Kung-Fu.

Einer seiner Kunden, Geschäftsführer einer börsenkotierten AG, brachte Häckermann etwa zur gleichen Zeit jedoch auf eine neue Idee: Als er über die aufwendige Vorbereitung einer Verwaltungsratssitzung berichtete, formierte sich bei Häckermann die Vorstellung eines digital organisierten Verwaltungsrates. Innert weniger Monate transferierte Häckermann diesen Gedanken vom Reissbrett auf die Festplatte und im Jahr 2013 stand die erste Version des Boardrooms, dem heutigen Herzstück der Firma Sherpany.

Seine alten Kunden sind ihm im Wandel des Geschäftsmodells treu geblieben und bewirtschaften heute sowohl ihr Aktionariat als auch ihren Verwaltungsrat auf digitalem Weg. Unterdessen sind aber auch viele neue Kunden dazugekommen. Dabei hat Tobias Häckermann eine ganz eigene Strategie entwickelt, um die Begeisterung für sein Produkt zu schüren: Er sucht sich gezielt ein Mitglied des Verwaltungsrates aus, erklärt ihm den digitalen Boardroom und macht ihn zum Botschafter seines Produkts. Dieser geht dann statt mit Papierakten und Mappen beladen lediglich mit einem brandneuen Tablet in die nächste Verwaltungsratssitzung, wo dann die anderen Mitglieder ganz von allein neugierig würden und Interesse an diesem digitalen Werkzeug zeigten, sagt Häckermann. Dieses Konzept nennen sie den «Roll-In», es ersetzt den veralteten «Roll-Out».

Die Sherpany AG (vormals Agilentia AG) wurde 2010 von Tobias Häckermann, Roman Bühler und Nathanael Wett­stein gegründet und bietet mit dem Sherpany Boardroom ein massgeschneidertes digitales Tool für Verwaltungsräte, das die Informationsverarbeitung erleichtert und die Entscheidungsfindung vereinfacht. Sherpany zählt sieben Jahre nach der Gründung 45 Mitarbeitende und 200 Kunden und erzielt einen Umsatz von über 5 Millionen Franken. Das Unternehmen hat mehrere Auszeichnungen erhalten. Zuletzt belegte es den ersten Platz im Ranking der Schweizer Wachstums-Champions der «Handelszeitung» und die Boardroom-3-Applikation wurde mit dem silbernen Stevie Award 2017 ausgezeichnet.

www.sherpany.com

«Unser Dilemma ist, dass unsere Auftraggeber in der Geschäftsleitung sitzen, aber unsere Benutzer die Mitglieder des Verwaltungsrates sind. Und die müssen wir letztlich davon überzeugen, dass sie mit den neuen digitalen Prozessen eine Menge Zeit und Aufwand sparen», erklärt Häckermann. Bisher hätten sie das Vertrauen der Verwaltungsräte noch immer gewinnen können, denn «Digitalisierung schafft Transparenz und das fördert das Vertrauen», ist der Jungunternehmer überzeugt. Sherpany zählt bereits über 200 Kunden und befindet sich in der Phase der internationalen Expansion. «Das Vertrauen wächst exponentiell», sagt Häckermann, der völlig auf die digitalen Möglichkeiten vertraut – und in sein Produkt, welches nicht aus einer Vision entstanden ist, wie einst das Aktionärsnetzwerk, sondern aus einem realen Kundenbedürfnis.

Tobias Häckermann
Kurze Fragen – kurze Antworten

Welches ist Ihre Lieblings-App?
Die Boardroom-App natürlich!

In welchem Bereich Ihres persönlichen Lebens hat sich durch das digitale Zeitalter am meisten für Sie verändert?
Im familiären Bereich. Ich fühle mich durch den einfachen und schnellen Kontakt via Kurznachrichten mit meiner Familie viel mehr verbunden als früher.

Wir sind alle dauernd online und erreichbar; wie wichtig sind für Sie Offline-Oasen?
Nicht sehr wichtig. Ich war vor Kurzem ein paar Wochen in Afrika völlig offline. Das war in Ordnung, aber es ist nicht so, dass Offline-Oasen für mich wichtig sind.

Welches Hintergrundbild ist auf Ihrem Handy oder Laptop zu sehen?
Landschaftsaufnahmen mit Weitblick.

Was war Ihr Traumberuf als Kind?
Ich wollte «Reparierer» werden. Den Beruf gibt es zwar nicht, aber ich wollte unbedingt immer alles reparieren!