Roland Siegwart zückt sein Smartphone und schwenkt es ein paar Mal durch die Luft. «Wir arbeiten derzeit an einem Projekt, dank dem man auf diese Weise – mit wenigen Bewegungen – einen ganzen Raum digital erfassen kann», erklärt der Professor und Leiter des Labors für autonome Systeme an der ETH in Zürich. Wir befinden uns im Gang des Forschungszentrums. An der Wand hängt eine Illustration, die die Technologie genau erklärt. «Entscheidend ist der neue Sensor. Er ist eine Weiterentwicklung jener Rezeptoren, die bereits heute in den Geräten verbaut sind und es ermöglichen, dass sich der Bildschirm an die Ausrichtung des Gerätes anpasst», so Siegwart. In Zukunft könnte man damit eine Wohnung digital vermessen. Die ETH arbeitet dabei eng mit dem US-Technologiekonzern Google zusammen.
Mehrere Forschungsbereiche vereint
Das sogenannte Tango-Projekt ist nur eines von vielen, die im Labor der ETH vorangetrieben werden. Die Studierenden tüfteln an neuen autonomen Maschinen, die in einer nicht allzu fernen Zukunft zu Land, zu Wasser und zu Luft zum Einsatz kommen sollen. Hier entstehen neue Ideen, vom Käfer-ähnlichen Roboter über Solarflugzeuge bis hin zu Drohnen. Der eine Raum gleicht einer Werkstatt, ein anderer ist mit Sicherheitsnetzen, Turnmatten und Kameras ausgestattet, um die Flugversuche von autonomen Drohnen zu testen. «Unser Forschungsbereich ist wunderbar, denn er verbindet Maschinenbau mit Elektrotechnik und Informatik, Sensortechnik, künstliche Intelligenz – und den Menschen», schwärmt der Robotik-Professor.
«Die Roboter brauchen einen Plan, sie verstehen die Welt nicht.»
Im Dienste der Menschheit
Das übergeordnete Ziel der im Labor für autonome Systeme entwickelten Apparate lautet, die Menschen überall dort zu entlasten, wo eine Arbeit beschwerlich und schädlich ist oder wo sie der Allgemeinheit den grössten Nutzen bringt. Beispiele dafür finden sich laut Siegwart im Untertagbau in Rohstoffminen, in Tiefkühllagern – oder in der Landwirtschaft. «Eines der dringlichsten Probleme der Menschheit ist die Nahrungsmittelversorgung», sagt er. Dabei könnte eine Kombination von autonomen Drohnen und Landwirtschaftsrobotern den Ernteertrag markant verbessern. Die Idee dahinter: Aus der Luft werden die Felder mit Drohnen auf ihre Feuchtigkeit überwacht, das Wachstum der Saat kontrolliert sowie die Zahl der Schädlinge beobachtet, während ein Roboter im Feld das Unkraut mechanisch zerstört und wo nötig wässert und düngt. «Die Roboter nehmen dem Menschen eine mühselige Arbeit ab und sorgen für einen höheren Ertrag in der Landwirtschaft», fasst Siegwart zusammen.
Roboter verstehen die Welt nicht
Die breite Öffentlichkeit kommt mit autonomen Systemen heute
vor allem im Bereich der Mobilität in Kontakt. In Autos sind schon viele unterstützende Systeme eingebaut, die dem Menschen die Fahrt erleichtern. Die Wagen steuern selber in die Parklücke oder halten auf der Autobahn die Spur. «Autonome Fahrzeuge werden unsere Mobilität grundlegend verändern», sagt Siegwart. Dabei geht es nicht nur um Bequemlichkeit. Profitieren werde auch die Umwelt, da die Fahrzeuge und die bestehende Verkehrsinfrastruktur besser ausgelastet werden. Oder aber die ältere Generation, die bis ins hohe Alter mobil bleiben kann. «Meine Eltern wären froh, könnten sie für einen Besuch der Enkel ein autonomes Fahrzeug nutzen», so der 58-jährige.
Bis die ersten autonomen Fahrzeuge aber im Alltag zum Einsatz kommen, wird es noch einige Jahre dauern. Zwar können sie sich in einem strukturierten und nicht zu komplexen Umfeld schon heute problemlos fortbewegen. Doch «die Roboter brauchen einen Plan, sie verstehen die Welt nicht», erklärt Siegwart. Und genau dies wäre nötig, wenn sie dereinst bei viel Verkehr über eine mehrspurige Kreuzung fahren sollen. Dort ist Interaktion gefragt, es braucht Augenkontakt und Zeichen. Zudem müssen die Systeme auch unbekannte Gegenstände schnell einordnen können. «In diesem Bereich ist der Mensch der Maschine deutlich überlegen.»