Die digitale Welt ist ein Glashaus

#Menschen  #Sinn  #Leistung
 

Die Adecco-Gruppe hat sich die digitale Welt zunutze gemacht. Und sie schreibt sich die Revolution der Arbeitsweise von Menschen auf die Fahne. Warum und wie, erläutert CEO Alain Dehaze im Gespräch.

Text: Eric Johnson | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Vertrauen im digitalen Zeitalter – Dezember 2017

Hat sich die Bedeutung von Vertrauen im Vergleich zu früher verändert?

Manche nennen Vertrauen die neue Währung des digitalen Zeitalters. Als das Internet noch nicht omnipräsent war, basierte unser Geschäft auf dem physischen und persönlichen Vertrauen zwischen unseren Mitarbeitenden, Kandidaten sowie unseren Kunden. Natürlich bestehen diese Beziehungen immer noch und sind nach wie vor zentral. Aber das Vertrauen umfasst heute das gesamte Unternehmen mit sämtlichen Systemen. Unsere Bewerber und Kunden vertrauen uns sehr persönliche und vertrauliche Informationen an. Sie wollen sicher sein, dass die Adecco-Gruppe diese vor Missbrauch schützt. Beispielsweise haben wir mit hochentwickelten Cybersicherheitsmassnahmen den Datenschutz unserer Bewerber und Kunden verstärkt.

Ist Vertrauen für Sie ein Wettbewerbsfaktor?

Dies ist sicherlich ein Aspekt, durch den wir uns von kleinen und mittelständischen Bewerbern absetzen können, die aufgrund ihrer Grösse möglicherweise keine branchen­führenden IT-Systeme anbieten können. Das Fachwissen, das wir im Compliance-­Bereich in unterschiedlichen Rechtsgebieten ausweisen, verschafft uns einen weiteren Vorteil, gerade gegenüber neuen Markt­teilnehmern im digitalen Bereich. Einerseits bauen unsere Kunden darauf, dass wir wegen unserer weltweiten Fachkompetenz korrekt handeln. Andererseits sind wir heute einem viel grösseren Reputationsrisiko ausgesetzt als früher. Ereignisse sind heute globaler und transparenter. Wenn in einem der 60 Länder, in denen wir tätig sind, etwas passiert, erfährt das innerhalb weniger Minuten die ganze Welt. Deshalb ist es wichtiger als je zuvor, dass unsere Bewerber und Kunden uns vertrauen.

«Vertrauen ist die neue Währung des digitalen Zeitalters.»

Können Büroangestellte im Hinblick auf den Vormarsch von Robotern und künstlicher Intelligenz darauf vertrauen, dass sie auch in Zukunft eine Arbeitsstelle haben?

Die Landwirtschaft gibt ein passendes Beispiel ab. Von Ende des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren rund 40 Prozent der Arbeiter in den USA in diesem Sektor tätig. Heute arbeiten hier gerade noch 2 Prozent und versorgen einen viel grösseren Anteil der Bevölkerung. Zudem befindet sich die Arbeitslosenquote in den USA auf einem historischen Tiefstand! Diesen Wandel verdanken wir der Mechanisierung und Automatisierung. Ich bin deshalb sehr optimistisch, dass die neuen Technologien völlig neue Industriebereiche und neuartige Stellen schaffen werden, genau wie in der Vergangenheit.

Die Schwierigkeit besteht natürlich in der Synchronisierung. Damit keine soziale Unsicherheit entsteht, muss die zeitliche Verschiebung von Nachfrage und Angebot an Arbeitskräften vernünftig ausbalanciert sein. Genau da kommen wir ins Spiel. Wir bilden Arbeitskräfte weiter, schulen sie um oder setzen sie in anderen Bereichen ein, damit sie den Anschluss an die neue Wirtschaft nicht verpassen. Wir erachten das als Chance sowohl für unser Unternehmen als auch für unsere Kunden, Kandidaten und Partner in einer sich verändernden Arbeitswelt.

Künstliche Intelligenz nutzen wir zudem, um unsere Produktivität zu optimieren. Mit Tools auf Basis von künstlicher Intelligenz können unsere Mitarbeitenden das tun, worin sie wirklich gut sind: Beziehungen aufbauen und hochwertige Dienstleistungen für unsere Bewerber, Partner und Kunden erbringen.

Der in Belgien geborene und aufgewachsene Alain Dehaze wurde Ende 2015 CEO der Adecco-Gruppe, nachdem er seit 2009 zahlreiche Führungsfunktionen im Unternehmen innehatte. Zuvor arbeitete der 54-Jährige für mehrere Dienstleister, unter anderem für den Konsumgütergiganten Henkel und den Facility-Services-Anbieter ISS. Ausserhalb der Adecco-Gruppe präsidiert Alain Dehaze das «Global Apprenticeship Network» und ist Mitglied der «Global Commission on the Future of Work» der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO). Der Vater von vier erwachsenen Kindern hat ein Foto von seiner Frau und ihren Sprösslingen als Bildschirmschoner auf seinem Smartphone. Mit dem familien­eigenen Gruppenchat hält sich die weit verstreute Familie gegenseitig auf dem Laufenden.

Ist die Automatisierung angesichts der laufend sinkenden Anzahl Arbeitskräfte nötig?

In einigen Ländern wie Brasilien, China oder Deutschland erkennen wir einen drastischen Arbeitskräfteschwund. Japan verliert eine Million Arbeiter pro Jahr aufgrund von Pensionierungen. Das Land hat bisher sechs Millionen Arbeitskräfte verloren, in den nächsten fünf Jahren gehen weitere fünf Millionen in Pension. Die Automatisierung kann helfen, diese Lücke zu schliessen.

Dasselbe kann eine flexiblere Belegschaft – nicht nur theoretisch. Das beste Beispiel ist Deutschland, das zu den Top-5-Ländern in der Robotisierung gehört. Wir machen 30 Prozent unseres Umsatzes in der deutschen Automobilindustrie, die zu den am stärksten robotisierten gehört. Wir haben Fachkräfte vermittelt, die nach ihrem Temporäreinsatz oftmals von den Auto­bauern eine Festanstellung erhalten.

Apropos Anstellungsprozess: Hat sich dieser durch die sozialen Medien verändert?

Die Gesellschaft wird immer transparenter und die jüngeren Generationen verlangen mehr Offenheit. Früher haben wir bei Stellensuchenden die Referenzen der Schulen und ehemaligen Arbeitgeber geprüft. Das machen wir zwar immer noch, aber wir berücksichtigen ebenfalls die sozialen Medien. Hier haben sich die Bewerber stärker exponiert und werden damit greifbar für Personalvermittler wie wir, die solche Netzwerke nutzen. Mithilfe der sozialen Medien können wir mehr Kandidaten für uns gewinnen und mehr Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für sie finden.

«Unsere Aufgabe ist es, Arbeitskräfte weiterzubilden, umzuschulen oder in anderen Bereichen einzusetzen, damit sie den Anschluss an die neue Wirtschaft nicht verpassen.»

Ist der Stellenmarkt durch das Internet wettbewerbsfähiger geworden?

Ja, für Stellen, die viel Fachwissen erfordern und international ausgerichtet sind. Bewerber können von fast überall her kommen und fast überall hingehen. Nationalitäten spielen eine geringere Rolle als früher. Beispielsweise stammen die rund 200 Mitarbeitenden hier am Zürcher Hauptsitz der Adecco-Gruppe aus 30 Nationen. Zudem sind die Jungen heute mobiler. Meine vier Kinder beispielsweise arbeiten in drei verschiedenen Ländern, keines davon in der Schweiz. Das Internet und die Digitalisierung erschliessen Neuland. Es ergeben sich riesige Chancen für unsere Industrie, etwa durch Apps oder Chatbots: Neue Wachstumsbereiche entstehen, unsere Arbeitsweise verbessert sich und für unsere Kunden werden Instrumente verfügbar, die sie für ihren Erfolg im digitalen Zeitalter brauchen.

Webseiten für Arbeitgeberbewertungen haben für mehr Transparenz gesorgt, oder?

Diese Plattformen bieten tolle Möglichkeiten für potenzielle Mitarbeitende, um mögliche Arbeitgeber kennenzulernen. Die Bewerber können die Unternehmen nach ihren Schlüsselkriterien durchleuchten. Zu den Zielen unseres Unternehmens gehört es, ein guter Arbeitgeber zu sein und zu bleiben – das ist ein Marktvorteil. Als einer meiner Söhne eine Vollzeitstelle suchte, war er unsicher, für welche Richtung er sich entscheiden sollte. Er hat die 50 besten Arbeitgeber ausgewählt und sich nur dort beworben. Als die Adecco-Gruppe wollen wir über diese Art von Reputation und Vertrauen verfügen.

Die Adecco-Gruppe ist das weltweit grösste Unternehmen für Personal­lösungen mit einem Umsatz von fast 23 Milliarden US-Dollar und rund 33’000 Vollzeitmitarbeitenden in 60 Ländern. Das Unternehmen bietet täglich über 700’000 Menschen in 59 Ländern dauerhafte und flexible Beschäftigungen plus 1 Million allein in China. Die Adecco-Gruppe betreibt Marken wie Adecco Staffing, ­Modis, Spring Profes­sional, Badenoch & Clark, Pontoon, Lee Hecht Harrison, Adia sowie Yoss. Sie führt Rekrutierungs­prozesse, Aussenvermittlungen, Auslagerungen, Schulungen und Beratungen durch. Auf der 2017 Liste der «World’s Best Multinational Work­places» und der «Best Multinational Workplaces in Europe» des Forschungs- und Beratungsunternehmens Great Place to Work ® belegte das Unternehmen jeweils den zweiten Platz.

www.adeccogroup.com

Wie sieht es mit der Lohntransparenz aus? Wird auch diese kommen?

Mein Lohn ist bereits transparent. Spitzenreiter in diesem Bereich ist Skandinavien. In Norwegen beispielsweise werden alle Steuererklärungen online veröffentlicht. Übers Smartphone kann man herausfinden, wie viel der Nachbar, Arbeitskollege oder sonst irgendjemand verdient. Transparenz gehört zu den wichtigsten Kriterien für einen guten Arbeitgeber. Die Mitarbeiter wollen vertrauen können und suchen einen Beweis, dass ihr Unternehmen vertrauenswürdig ist. Transparenz ist ein Vertrauensbeweis.

Wie nutzen Sie persönlich die sozialen Medien?

Ich habe eine Funktion von öffentlichem Interesse, darum muss ich transparent sein. Ich bin auf verschiedenen sozialen Medien für alle sichtbar aktiv. Eine Technologie, auf die ich mich wirklich freue, ist die Holografie. Sobald ich mich selbst als Hologramm darstellen kann, werde ich weniger Reisezeit benötigen und kann an zwei Orten gleichzeitig sein.

Transparenz schafft Vertrauen, dies auch bei der täglichen Arbeit in den Büros am Hauptsitz von Adecco Schweiz. © Adecco

Alain Dehaze
Kurze Fragen – kurze Antworten

Welches ist Ihre Lieblings-App?
Adia, die neue End-to-End-Online-HR-Plattform von Adecco für Kunden und Bewerber.

Können Sie sich an Ihr erstes Handy erinnern? Welches Modell war es?
Motorola StarTAC.

Welches Hintergrundbild ist auf Ihrem Handy oder Laptop zu sehen?
Ein Foto von mir und meiner Familie.