Text: Regula Freuler | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Der Kunde im Fokus – Januar 2019
Text: Regula Freuler | Bilder: Markus Bertschi | Magazin: Der Kunde im Fokus – Januar 2019
Zuerst einmal, dass wir einen guten Job gemacht haben. Wir haben einen benutzerfreundlichen Store aufgebaut im Netz, den wir mit den anderen Verkaufskanälen verbinden können. Käufer wollen einen Kauf schnell abschliessen und wissen, was wichtig ist am Produkt. Daran arbeiten wir stetig.
Es ist nach wie vor das Wichtigste. Das Erfüllen der Bedürfnisse unserer Kunden ist das Ziel und auch der Zweck des Unternehmens. Profit und Wachstum sind eine Folge davon.
«Calida ist das Gegenteil von ‹fast fashion›.»
In Europa haben wir es mit saturierten, stagnierenden Märkten zu tun. Wenn wir mehr haben wollen vom Haushaltsnettoeinkommen unserer Kunden, dann müssen wir uns enorm anstrengen. Wir müssen einerseits die Konkurrenz übertrumpfen und andererseits dafür sorgen, dass die Kunden in unsere Geschäfte gehen. Dazu muss man Trends früh wahrnehmen, um sie mitgestalten zu können. Ausserdem sind Innovationen sehr wichtig.
Was unsere Kundschaft eint, ist das Bedürfnis nach hoher Qualität. Deshalb sind wir bei der Calida Group von Qualität besessen. Je nach Marke drückt sich Qualität natürlich unterschiedlich aus. Bei der Mountain Group bieten wir die perfekte Ausrüstung für Menschen, die viel Zeit in der Natur verbringen. Bei den Möbeln ist es Bequemlichkeit. Calida wiederum hat einen sehr hohen Standortvorteil: Wir haben in unseren Geschäften, aber auch bei unseren Wholesalern einen Stammkundenanteil von über 70 Prozent – das ist phantastisch. Es bedeutet, dass wir eine sehr treue Kundschaft haben, die unsere Leistung schätzt.
Mit dem Entwickeln von innovativen und perfekten Produkten. Die Daily Functionwear von Calida, eine eigenständige Linie mit Zusatzfunktionen in der Herren-Kollektion, war etwa eine sehr erfolgreiche Innovation, oder die superleichte Daunenjacke von Millet. Calida ist das Gegenteil von «fast fashion», und das Gegenteil von «fast fashion» ist Nachhaltigkeit und Qualität. Daran arbeiten wir jeden Tag und gewinnen so auch Kunden.
Seit März 2016 ist Reiner Pichler CEO der Calida Group. Zuvor leitete der 56-jährige deutsch-schweizerische Doppelbürger die Holy-Fashion-Gruppe, für die er unter anderem die Marke Strellson aufbaute, und anschliessend den deutlich grösseren deutschen Modekonzern S. Oliver. Seit Anfang 2017 ist er ausserdem Verwaltungsratspräsident des Zürcher Brillenlabels Viu.
Nachhaltigkeit ist bei uns nicht etwas «Modernes», sondern Teil der Unternehmenskultur. Das zum einen bei Calida, wo wir die Produkte mit dem Label «Made in Green» zertifizieren. Da ist transparent nachvollziehbar, wo und wie sie produziert worden sind. Das betrifft bereits einen Grossteil unserer Produkte. Dazu kommt unser kompostierbares Shirt «I love Nature», was eine grossartige Innovation war. Bald wird eine Serie mit weiteren kompostierbaren Produkten folgen. Im Outdoor-Bereich machen wir Daunen-Recycling: Daunen aus Bettdecken und Jacken werden gewaschen und für Jacken wiederverwendet. Wir rezyklieren PET-Flaschen für Jacken, und alle unsere Produkte sind inzwischen PFC-frei. Ausserdem gehen wir einmal im Jahr mit den Mitarbeitenden der Millet Mountain Group auf den Mer de Glace, einen der grössten Gletscher der Mont-Blanc-Kette in Frankreich, und reinigen ihn. Das drückt unsere Haltung als Unternehmen aus.
Zum Beispiel mit Nachhaltigkeit. Zwei Drittel der Millennials sind bereit, mehr Geld für nachhaltig produzierte und qualitativ hochwertige Produkte auszugeben. «Monocle», eines der besten Lifestyle-Magazine Europas, machte zudem diesen Herbst mit uns eine Produktekooperation. Entstanden ist dabei eine feine kleine Kapsel für den modernen, urbanen Grossstadt-Gentlemen, der es gerne praktisch und modisch zugleich mag. Und natürlich machen wir die richtigen Kollektionen.
Basics spielen eine grosse Rolle, die wir vom Design her neu interpretieren. Insgesamt kommen schlichte Sachen mit den richtigen Funktionen sehr gut an. Aber auch modische Schnitte wie Culottes oder moderne Soft-BHs bei der Damen-Kollektion kommen exzellent an.
Zielgruppe ist heute wohl nicht mehr das richtige Wort. Vielmehr geht es um Käufergruppen oder noch präziser: Interessengruppen. Heute denkt man nicht mehr in Altersgrenzen. Gehe ich ins Fitnessstudio, trainiert links von mir ein 65-Jähriger und rechts von mir eine 18-Jährige. Die Älteren werden immer jünger. Das ist eine spannende Herausforderung für uns.
Wir haben sie sogar übertroffen. E-Commerce ist ja viel mehr als eine Entwicklung. E-Commerce ist eine Revolution, die mit einem völlig anderen Verhalten der Endverbraucher einhergeht. Der Singles’ Day ist in Asien der weltweit umsatzreichste Online-Shopping-Tag und steigerte sich in einem einzigen Jahr von 20 Milliarden auf 28 Milliarden Dollar Umsatz – das ist unglaublich. Wir sind aufgerufen, den Konsumenten dort zu erreichen, wo er ist, und wenn er im Netz ist, dann müssen wir eben auch dort sein.
Zur international tätigen Bekleidungsgruppe gehören die Marken Calida, Aubade, Millet, Eider, Lafuma Outdoor, Lafuma Mobilier und Oxbow. Das Hauptsegment besteht aus Tag- und Nachtwäsche sowie luxuriöser Lingerie. Dazu kommen Outdoor-Ausrüstung und Gartenmöbel. Mit dem Kauf des deutschen Online-Händlers Reich Online Services im März 2017 konnte Calida das E-Commerce-Geschäft verstärken.
Gegründet wurde Calida als Strickwarenfabrik Sursee AG im Jahr 1941 durch Max Kellenberger und Hans Joachim Palmers. Bereits 1946 wurde die Firma in Calida AG umbenannt. Hauptaktionär von Calida mit 34,5 Prozent der Stimmrechte ist die Familie Kellenberger. Hauptsitz ist in Sursee. Die Gruppe beschäftigt rund 3’000 Mitarbeitende.
Berühmt wurde Calida wegen ihrer Bündchen-Pyjamas, die ein Hochrutschen von Ärmeln und Hosenbeinen verhindern sollen, sowie allgemein wegen der hohen Qualität der Produkte. Die Produktion erfolgt grösstenteils im Eigenwerk in Ungarn oder wird von da aus zentral gesteuert und in Partnerbetrieben vollzogen, während das Design in der Schweiz entwickelt wird.
Im Moment machen wir rund 10 Prozent unseres Umsatzes über unseren eigenen E-Commerce. Das bedeutet eine Steigerung von 60 Prozent im laufenden Jahr. Nimmt man die Umsätze mit reinen E-Commerce-Kunden dazu sowie den Umsatz, den unsere Wholesale-Kunden mit uns im E-Commerce umsetzen, sind wir bei etwa 20 Prozent.
Ich finde die Möglichkeit, online zu kommentieren, grundsätzlich gut – weil es schnell die Meinung der Kunden transportiert. Das setzt uns natürlich auch unter Druck. Die Kommentare sind für alle ersichtlich, weltweit. Und es kann eine Eigendynamik entwickeln, die einen schmerzhaften Umsatzverlust zur Folge haben kann. Doch wir stellen uns dieser Herausforderung gerne, weil wir voll und ganz hinter unseren Produkten stehen – und aus den Kommentaren auch noch etwas lernen können.
Wir dürfen diese Daten erstmal nur im rechtlichen Rahmen nutzen, und der ist sehr begrenzt. Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob wir tatsächlich so viel mehr wissen über unsere Kunden als vorher. Wir hatten schon immer einen eigenen Retail, und daraus bekommen wir genügend Informationen, wie gut ein Produkt läuft, wer der Endverbraucher ist und wie oft er kommt. So ganz «blank» waren wir also nie.
Wir hatten neulich eine sehr interessante Diskussion mit einer Bergführergruppe aus Grindelwald. Die hat sich für einen Rucksack unserer Mountain-Division interessiert und machte uns Vorschläge, wie man den noch verbessern könnte. Erfahrungen von Menschen, die jeden Tag als Bergführer mit einem Produkt von uns unterwegs sind, nützen uns sehr.
Unsere Geschäfte haben eine wichtige Funktion. Die Zukunft ist nicht E-Commerce oder eigene Läden oder Wholesale, die Zukunft heisst Omnichannel. Es geht darum, wie wir die verschiedenen Verkaufskanäle zusammenbringen. Wir haben die ersten zwei Omnichannel-Geschäfte eröffnet, in Hamburg und Bremen. Weitere werden folgen. Auch werden wir weitere neue Läden eröffnen und unsere Wholesale-Partner integrieren.
Tragen Sie Calida-Produkte?
Natürlich! Und zwar jeden Tag. Nicht nur, weil ich sie schätze, sondern auch weil ich sie teste.
Auf welches Produkt oder auf welche Dienstleistung möchten Sie keinesfalls verzichten?
Ich denke da eher daran, was man verbessern könnte, nämlich das Reisen in Europa. Hier kommt man sich oftmals vor wie eine Schafherde, die in den Flieger rein- und wieder rausgetrieben wird. Der Travelservice wird ja immer wichtiger, weil die Menschen mehr reisen. Der Servicelevel sollte hoch sein. In Asien ist man da schon viel weiter als in Europa.
Gibt es ein Produkt, das Sie schon ein Leben lang begleitet?
Ich habe ein Taschenmesser von meinem Urgrossvater, das ich sehr liebe.
Shoppen Sie lieber online oder in einem Laden?
Beides. Ich kaufe sehr viel unterwegs im stationären Handel, sei’s im Ausland oder in der Schweiz. Online kaufe ich fast zu 100 Prozent in der Schweiz. Bücher kaufe ich nahezu ausschliesslich online, aber keine E-Books.
Welche Online-Shops benutzen Sie am häufigsten?
Globus und Amazon.
Was steht zuoberst auf Ihrer Einkaufsliste 2019?
Ich will einen Skianzug von Millet kaufen, und ich brauche einen neuen Motorradhelm. Ich bin leidenschaftlicher Motorradfahrer.