Text: Roberto Stefàno | Bilder: Andreas Zimmermann | Magazin: Vertrauen in der Gesellschaft – September 2019
Der Chef der Türenfabrik Brunegg über die für Aussenstehende unerwartet komplexe Produktion von Türen, die veränderten Rahmenbedingungen in seinem Geschäft – und weshalb eine Tür durchaus mit einem Möbelstück verglichen werden kann.
Welches war der ausgefallenste Auftrag für eine Tür, den Brunex Ihres Wissens je umgesetzt hat?
Unsere Aufträge sind in der Regel nicht allzu verrückt. Zwei Bestellungen sind mir aber besonders in Erinnerung geblieben: die erste Lieferung einer Türe nach Schanghai und die fünfmillionste Türe. Letztere bildete 2001 den Startschuss in ein neues Zeitalter für unseren Betrieb.
Weshalb?
Früher waren mehrere Firmen an der Wertschöpfungskette einer Tür beteiligt: Die eine produzierte den Rohling, eine andere bearbeitete ihn, und eine weitere war für die Montage zuständig. Da einige unserer Türenkunden mit der Produktion von Rohlingen begannen, änderte sich das. Auch wir mussten unsere Wertschöpfungstiefe erhöhen und uns neu orientieren.
Was macht eine gute Tür aus?
Zwei Dinge: Sie muss problemlos funktionieren und den Geschmack des Käufers treffen. Ersteres wird häufig unterschätzt. Doch eine Tür ist vergleichbar mit einem Möbel. Sie ist eine nicht zu vernachlässigende Investition eines Hauseigentümers. Entsprechend darf er erwarten, dass diese bis zu 15 Jahre tadellos in Schuss bleibt.
Wie wichtig ist eine Tür als Visitenkarte einer Immobilie?
Eine Tür ist, wie gesagt, eine Investition und hinterlässt einen gewissen Eindruck. Beim Verkauf einer Immobilie kann sie ein wichtiges Kriterium zum Abschluss der Transaktion sein.
Kann eine Tür Vertrauen wecken?
Nehmen wir als Beispiel die Tür eines Autos: Wenn eine Autotür beim Schliessen scheppert, dann weiss man sofort, dass man in einem günstigen Wagen sitzt. Eine gute Tür weckt Vertrauen. Zudem gibt es verschiedene Widerstandsklassen, die unterschiedlich hohen Schutz vor Einbrechern bieten. Auch diese schaffen Vertrauen und sind bei gewissen Kundensegmenten immer stärker gefragt.
Wie unterscheiden sich Ihre Türen von der günstigeren ausländischen Konkurrenz?
Vorweg: Der Preisunterschied zwischen einer gleichwertigen Tür aus dem Ausland und unseren Produkten ist marginal. Ansonsten hängt vieles von der Grösse des Marktes ab. In der Schweiz sind wir der führende Hersteller und fertigen in einem hochautomatisierten Werk rund 500 Türen pro Tag an. Unsere Wettbewerber im Ausland produzieren in derselben Zeit 10 bis 20 Mal so viele Türen. Das rührt daher, dass der Absatzmarkt dort viel grösser ist und es sich lohnt, in Masse zu produzieren, was hierzulande nicht der Fall ist. Wir konzentrieren uns bewusst auf eine Produktion mit tieferem Herstellungsvolumen, dafür von hochwertigeren, langlebigen Türen, da wir wegen des engen Marktes im Preiskampf nicht mithalten können.
Martin Eisele (1967) ist seit 2008 Eigentümer und CEO der Türenfabrik Brunegg (Brunex). Damals übernahm er von seinem Geschäftsleitungskollegen Martin Schmid dessen Anteile am Unternehmen, welches sie zusammen im Jahr 2003 im Rahmen eines Management-Buyouts gekauft hatten. Der gebürtige Deutsche absolvierte ein Studium als Diplomingenieur Holztechnik an der Hochschule in Rosenheim. Eisele ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Inwieweit spüren Sie ein erhöhtes Vertrauen als einheimischer Anbieter?
Unsere Kunden legen Wert auf ein Schweizer Produkt. Häufig spielt dabei die räumliche Nähe zum Bauprojekt eine wichtige Rolle. Wenn sich ein Problem ergeben sollte, dann sind wir schnell vor Ort. Dies schätzen unsere Kunden sehr.
Ihre Türen sind Massanfertigungen. In der Produktion müssen Sie sich auf externe Messungen verlassen. Ein Problem?
Nein. Wenn Zweifel entstehen oder wir erkennen, dass eine Bestellung so nicht funktionieren kann, gehen wir auf die Kunden zu. Unser Projektleiter sucht das Gespräch mit ihnen, damit am Ende alles passt. Auf der anderen Seite ist es auch für die Schreiner wichtig, dass sie einen verlässlichen Partner haben. Denn die Türen werden immer komplexer und sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie seinen Anforderungen genau entsprechen.
Ihre Verantwortung geht laut eigenen Angaben über die Herstellung der Produkte hinaus. Wie muss man dies verstehen?
Bevor eine Tür fabriziert wird, müssen die Bedürfnisse der Auftraggeber klar definiert sein. Denn eine Tür kann sehr unterschiedliche Eigenschaften aufweisen. Die Frage ist: Was benötigt der Kunde wirklich? Hier sehen wir uns in der Verantwortung: Wir müssen die Kunden dabei unterstützen, die richtigen Komponenten auszuwählen. Gleichzeitig versuchen wir, die Schreiner, die den Auftrag umsetzen, regelmässig zu schulen, ihnen Innovationen zu präsentieren und die neuesten Normen weiterzugeben.
«Die Digitalisierung hat vieles vereinfacht und dynamischer gemacht.»
Sie haben sich den schonenden Umgang mit Ressourcen auf die Fahne geschrieben. Welche Bedeutung hat die Nachhaltigkeit in Ihrem Geschäft?
Alles Holz, das wir für die Produktion der Türen einsetzen, ist FSC-zertifiziert. Damit garantieren wir, dass es aus Wäldern stammt, die nachhaltig bewirtschaftet werden. Das gilt auch für Tropenholz, das wir nur unter dieser Voraussetzung verarbeiten. Es hat sich gezeigt, dass man so einen Wald besser schützt, als wenn man gänzlich darauf verzichtet, da die Menschen vor Ort einen Ertrag erzielen, ohne dass die jeweiligen Waldgebiete komplett gerodet werden.
Inwiefern verbinden Sie nachhaltiges Wirtschaften mit Vertrauen?
Das Vertrauen spielt auf verschiedenen Ebenen: Einerseits braucht es das Vertrauen in die Zukunft. Dazu ist eine klare Vision nötig. Andererseits muss man dem Team vertrauen, vor allem in einem eigentümergeführten Unternehmen. Weiter braucht es Vertrauen in das Produkt und das Geschäft. Und am Ende müssen Kunden einem vertrauen, und das kann man erreichen, indem man offen und transparent mit ihnen kommuniziert.
Brunex hat inzwischen über acht Millionen Türen produziert. Wie hat sich Ihr Produkt in den 65 Jahren seit der Gründung verändert?
Der Wandel ist markant. Früher handelte es sich um einen Produzentenmarkt, in dem Kontingente vergeben wurden. Bei der Produktion der Türen war kaum Kreativität gefragt, da damals nur drei bis vier Türtypen gebaut wurden. Heute stehen wir in Konkurrenz mit dem Ausland und bieten 27 Typen und Systeme an. Auch bei den Mitarbeitenden zeigt sich der Wandel deutlich: Inzwischen ist mehr als lediglich die Ausführung der immer gleichen Arbeitsschritte gefragt – innovatives und unternehmerisches Denken wird bei uns grossgeschrieben.
Wie haben die Mitarbeitenden die Veränderung mitgetragen?
Es war kein einfacher Prozess. Gleichzeitig mussten wir auch unsere Kunden einbeziehen. Dank einer transparenten Kommunikation ist uns dies gut gelungen. Die Kunden können heute Ideen einbringen, genauso wie unsere Mitarbeitenden.
Die Türenfabrik Brunegg aus dem gleichnamigen Dorf im Kanton Aargau wurde 1954 gegründet. Heute ist das Unternehmen mit rund 63 Mitarbeitenden unter dem Namen Brunex bekannt und Schweizer Marktführer. Als Vollsortimenter beliefert Brunex schweizweit Schreiner mit massgefertigten Türblättern/Rohlingen sowie Elementen, Wandsystemen und Raumteilern. 2019 wurde Brunex mit dem KMU-Preis der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet.
www.brunex.ch
Die Fertigung der Türen erfolgt «just in time». Wie weit gehen Sie mit diesem Ansatz?
98 Prozent der Türen sind bei uns Auftragsarbeiten, die just in time erfolgen. Wir halten nur ein kleines Lager mit einem engen Sortiment bei unserem Spediteur. Auch das Materiallager bei unserem Lieferanten ist auf zwei bis drei Tage ausgelegt. Eine Vorproduktion ist praktisch unmöglich, da es sich um individuelle Massanfertigungen handelt.
Wie wirkt sich die zunehmende Digitalisierung auf die Fertigung aus?
Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Mitarbeitenden, die heute mit Tablets oder Computer an den Maschinen arbeiten. Die Daten zur Herstellung einer Tür werden nur noch einmal erfasst und gelangen dann automatisch und durchgängig zu den verschiedenen Stationen. Zudem haben wir mit mybrunex ein Tool für unsere Kunden entwickelt, mit dem sie die Türen selber konfigurieren, kalkulieren und bestellen können. Schliesslich sind unsere Aussendienstmitarbeitenden heute mit digitalen Geräten ausgerüstet, mit denen sie den Kunden sämtliche Produkte vor Ort präsentieren können, statt schwere Papierordner mitzutragen. Die Digitalisierung hat vieles vereinfacht und dynamischer gemacht.
Der Vertrieb Ihrer Türen erfolgt über den Holzwerkstoff-Fachhandel. Weshalb ziehen Sie diese Variante einem eigenen Vertrieb vor?
Diese Vertriebsart hat gewisse Nachteile, aber auch zahlreiche Vorteile. Wir sind sehr nahe bei den Kunden, unterhalten langjährige Partnerschaften mit den Händlern und Schreinern und geniessen das gegenseitige Vertrauen. Daher werden wir daran nichts ändern.
Welche Trends prägen derzeit das Türengeschäft?
Flächenbündige Türen sind gefragt, zargenfreie Produkte oder Schallschutztüren im Wohnzimmer ebenso. Zudem ist das Sicherheitsbedürfnis gestiegen, weshalb die RC(Resistance Class)-klassifizierten Türen vermehrt verkauft werden. Schliesslich wünschen die Kunden auch ökologische, schadstofffreie Türen.
Sie haben 2019 den KMU-Hauptpreis der ZKB gewonnen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Deren Bedeutung wurde mir erst richtig bewusst, nachdem wir sie gewonnen hatten. Wir sind sehr stolz auf den Preis, vor allem unsere Mitarbeitenden. Die Auszeichnung bestätigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, und er gibt uns Antrieb, um diesen Weg weiterzugehen. Das Preisgeld investieren wir in einen Biergarten für die Mitarbeitenden, damit sie die Auszeichnung geniessen können.
Martin Eisele persönlich
Was zeichnet Sie besonders aus?
Ich bin ein Macher mit Visionen.
Welche Tür wären Sie?
Die Tür wäre einfach, klar strukturiert und nachhaltig.
Schiebetür oder Anschlagtür?
Definitiv eine Anschlagtür. Eine Schiebetür ist filigraner, ruhiger.
Glas oder Holz?
Ganz klar Holz. Ich bin gelernter Schreiner, habe ein Studium als Diplomingenieur Holztechnik in Rosenheim absolviert. Holz ist mein Element.
In welchem Verein sind Sie aktiv?
Neben meinem Beruf bleibt nur wenig Freizeit. Diese verbringe ich lieber mit meiner Frau und mit unseren drei Kindern, die bereits acht, zehn und zwölf Jahre alt sind. Gemeinsam sind wir aber Mitglieder eines Mountainbike-Vereins in der Region.
Welches Treffen in den vergangenen fünf Jahren hat Sie am stärksten beeindruckt?
Ein Treffen mit dem ehemaligen Brunex-Verwaltungsratspräsidenten Kurt Streif. Er ist heute im Ruhestand. Von ihm habe ich aber viel gelernt. Das hat schon bei der ersten Begegnung begonnen, als ich ursprünglich nur für zwei Jahre zum Unternehmen gestossen bin. Er hat mir schon damals gezeigt, dass ich eine grosse Zukunft in seinem Unternehmen haben kann – oder aber schnell wieder weg bin.
Welches persönliches Ziel wollen Sie 2019 noch erreichen?
Ich will am Rothaus Bike Giro mitfahren und dort besser rangiert sein als im Vorjahr.
Hier lade ich meine Batterien auf …
Beim Biken mit der Familie.
Meine liebste Feriendestination ...
Hauptsache mit dem Wohnmobil – zuerst in den Bergen, dann am Meer.
Was möchten Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Man soll an Ziele glauben und dafür auch einstehen.