«Für mich überwiegen die Chancen»

#menschenliebend  #authentisch  #offen
 

Susanne Ruoff, CEO der Schweizerischen Post, über Digitalisierung, warum die Post auch in Zukunft direkten Kundenkontakt haben wird, weshalb das Unternehmen eine digitale Signatur entwickelt und wie die heutige Kommunikation Führungsstil und Hierarchien verändert.

Text: Sandra Willmeroth | Bilder: Marc Wetli | Magazin: Vertrauen im digitalen Zeitalter – Dezember 2017

Frau Ruoff, die Post ist ein sehr grosser Konzern mit mehr als 60’000 Mitarbeitenden. Welche Geschäftsbereiche sind am stärksten von der Digitalisierung getroffen?

Es sind alle Bereiche betroffen, aber in unterschiedlicher Stärke. Das ganze Unternehmen ist inmitten einer Transformation, einem umfassenden Wandel.

Werden wir in 20 Jahren noch bediente Postfilialen haben oder nur noch Postomaten?

Ich bin davon überzeugt, dass wir immer den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch haben werden. Die Art und Weise, wie wir etwas tun, wird sich zwar verändern, aber der Kunde, die Kundin wird stets auch den persönlichen Kontakt zur Unternehmung brauchen und suchen. Wir werden diesen darum in der richtigen Form auch weiter anbieten.

«Das höchste Gebot ist für uns verantwortungsvolles Umgehen mit Daten.»

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass das Menschliche in dieser sich gerade überall digitalisierenden Welt verloren geht?

Nein, im Gegenteil: Je mehr wir digital unterwegs sind, desto stärker wächst das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt. Ich stelle das bei Veranstaltungen fest, dort spüren wir einen klaren Zulauf. Die Menschen wollen auch physisch zusammenkommen und empfinden solche Treffen als Bereicherung. Es braucht die ausgewogene Balance zwischen digitalen Elementen und dem Zwischenmenschlichen.

Wie verdient sich die Post das Vertrauen der Kunden in dieser digitalen Welt?

Indem wir die Qualität unserer Dienstleistungen und die Zufriedenheit unserer Kunden absolut ins Zentrum stellen. Vertrauen ist das höchste Gut für ein Unternehmen. Man braucht lang, um es aufzubauen, und kann es schnell verlieren. Das ist gerade in der digitalen Welt, in der alles so rasant geht, eine Herausforderung. Das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden müssen wir uns jeden Tag verdienen, mit allem, was wir tun. Dessen sind wir uns bewusst.

Susanne Ruoff, Jahrgang 1958, leitet die Schweizerische Post seit 2012. Zuvor war sie CEO und Geschäftsleitungsmitglied bei British Telecom und IBM Schweiz, wo sie die Global Technology Services verantwortete. Frühere Verwaltungsrats- und Stiftungsmandate hielt sie unter anderem bei Geberit, Bedaq, der IBM Pensionskasse und im Industrial Advisory Board des Departements Informatik der ETH Zürich. Susanne Ruoff hat einen Abschluss in Ökonomie der Universität Freiburg (Schweiz) und einen Executive MBA.

Spüren Sie seitens der Kunden auch Misstrauen in diese neue Welt?

Teilweise. Es gibt sicher Menschen, die mehr Vertrauen in die physische Welt haben. Aber die Zahl jener, die digitale Services schätzen, nimmt zu. Unsere Vision ist beide Welten miteinander zu verbinden, die physische und die digitale.

Wie wappnet sich die Post gegen Cyberrisiken und Hackerangriffe?

Angriffe geschehen weltweit jeden Tag, sie nehmen zu. Mit der PostFinance betreiben wir die fünftgrösste Bank der Schweiz und verfügen damit über viele vertrauliche Daten unserer Kunden. Entsprechend haben wir natürlich ein riesiges Sicherheitsdispositiv. Um das Maximum an Sicherheit zu erreichen, pflegen wir bestimmte Partnerschaften, beispielsweise mit der ETH Zürich, der EPF Lausanne oder der Universität Freiburg in der Schweiz. Dort erforschen wir ganz gezielt alle denkbaren Cyberrisiken und deren Abwehr und lassen die Ergebnisse in unsere Anwendungen einfliessen. Zum Thema Sicherheit sind aber auch unsere Kunden gefragt, die gewisse Vorsichtsmassnahmen einhalten müssen. Und da haben wir einen Clinch: Kunden möchten diese Dienstleistungen möglichst einfach nutzen können und auch möglichst sicher sein. Das eine geht mit dem anderen nicht immer so einfach einher.

«Die Grenzen der Digitalisierung liegen dort, wo der Mensch sein Veto einlegen wird und sagt: ‹Jetzt ist fertig.›»

Ist der digitale Identitätsnachweis eine Lösung dieses Dilemmas?

Wir haben angekündigt, dass wir die digitale ID einführen wollen. Dazu haben wir gemeinsam mit den SBB ein Joint Venture gegründet, die SwissSign AG. Ziel ist es, die digitale Signatur zu schaffen, also die eindeutige digitale Authentifizierung von Personen zu entwickeln. Darauf werden dann verschiedene Services aufgebaut, mit unterschiedlichen Sicherheitsstufen und Log-ins.

Sie erwähnten das Stichwort Daten. Wie begegnet die Post dem Thema Big Data?

Das höchste Gebot ist für uns der Datenschutz, und wir beziehen mit ein, was diesbezüglich auch auf europäischer Ebene gefordert ist. Die Post hat eine Strategie, die einerseits den Schutz der Daten, aber auch deren Verwendung klar regelt. Es gibt Daten, die wir zum Nutzen der Kunden verwenden, um ihnen beispielsweise mitzuteilen, wo ihr Paket gerade ist und wann es geliefert wird. Andere Daten werden anonymisiert und mit anderen Daten verlinkt, um beispielsweise herauszufinden, wie das Online-Shopping mit dem Wetter korreliert. Und dann gibt es auch offene Daten, wie beispielsweise Fahrplandaten oder Informationen über Störungen beim Postautobetrieb.  

Die Schweizerische Post AG ist ein Mischkonzern, der mit den drei Konzerngesellschaften Post CH AG, PostFinance AG und PostAuto Schweiz AG in den vier Märkten Kommunikation, Logistik, öffentlicher Personentransport und Finanzmarkt tätig ist. Eigentümer ist zu 100 Prozent der Bund. Der Konzern zählt über 60’000 Mitarbeitende, die sich aus mehr als 140 Nationen zusammensetzen und in über 100 Berufen für das Unternehmen tätig sind. Die Schweizerische Post bildet mehr als 2000 Lehrlinge in 15 verschiedenen Berufsfeldern aus. Im Jahr 2016 erzielte die Post einen Betriebsertrag von 8,2 Milliarden Franken und einen Gewinn von 558 Millionen Franken und investierte gegen 450 Millionen Franken in die weitere Entwicklung.

www.post.ch

Ein Vor- oder Nachteil der digitalen Welt ist, dass man permanent erreichbar ist. Wie grenzen Sie sich persönlich diesbezüglich ab?

Wenn ich mich zum Beispiel in den Bergen erholen möchte, nehme ich das Handy auch mal bewusst nicht mit.

Hat sich Ihr Führungsstil mit der Digitalisierung verändert?

Mit der Digitalisierung haben sich die Hierarchie und Zusammenarbeit verändert, dies als Folge der veränderten Kommunikation. Früher hat der eine Chef mit dem nächsten kommuniziert, es war klar geregelt. Heute läuft die Kommunikation anders: viel schneller, auf allen Ebenen gleichzeitig und manchmal viral. Dieses Jetzt, Heute und Sofort hat den Führungsstil im Bereich Kommunikation verändert. Mein persönlicher Führungsstil ist aber der gleiche geblieben. Meiner Meinung nach muss man als Führungskraft moderieren, animieren, manchmal auch dirigieren. Man muss Entscheidungen treffen und klar sagen, wohin die Reise des Unternehmens gehen soll.

Was überwiegt Ihrer Meinung nach: die Risiken oder die Chancen der Digitalisierung?

Ich bin ein Mensch, der das halbvolle Glas sieht. Daher überwiegen für mich die Chancen. Die Welt ist näher zusammen­gerückt ist. Wir sind vernetzt, wissen Bescheid und sind nah am Geschehen, auch wenn dieses oft sehr weit weg ist. Es gibt neue Services, die unseren Alltag erleichtern. Ich persönlich finde das positiv. Gleichzeitig birgt es natürlich auch Risiken, wenn zum Beispiel über alle Ereignisse in der Welt sofort berichtet wird und die negativen Schlagzeilen in den sozialen Medien überwiegen. Daher kommt es auf jeden Einzelnen an, wie er damit umgeht.

Wo denken Sie liegen die Grenzen der Digitalisierung?

Wenn ich daran denke, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird in Sachen künstliche Intelligenz, dann sehe ich die Grenzen dort, wo der Mensch sein Veto einlegen wird und sagt: Jetzt ist fertig, das will ich selber beeinflussen!

«Vertrauen muss man sich jeden Tag erarbeiten, mit all seinem Tun.»

Wenn die Menschen dann noch dazu in der Lage sind…

Das stilisiert man hoch. Der Mensch ist schon früh in der Lage, die Entwicklung zu stoppen, denn er legt die Parameter fest, auch die für intelligente Maschinen. Wir haben jetzt die Chance, vieles noch besser zu machen. Dafür müssen wir agil sein, sehr gut beobachten, Neues ausprobieren, daraus lernen und wenn nötig, untaugliche Ideen wieder verwerfen.

Dennoch herrscht eine gewisse Ungewissheit in Bezug auf die digitale Zukunft, oder nicht?

Ich würde es nicht primär als Verunsicherung bezeichnen, es ist vielmehr ein Aufbruch. Veränderungen sind weder gut noch schlecht, aber sie wirken manchmal bedrohlich, weil man die Konsequenzen und das Neue noch nicht einschätzen kann. Auf jeden Fall leben wir in einer hoch spannenden Zeit.

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Drohnen in der Logistik: Künftig sollen diese bei der Post für den Transport von Spezialsendungen eingesetzt werden. © Schweizerische Post

Susanne Ruoff
Kurze Fragen – kurze Antworten

Nennen Sie drei Begriffe, die Sie persönlich mit dem Wort «Vertrauen» verbinden.
Zuverlässigkeit, Sicherheit, Klarheit.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Wie halten Sie es damit?
Einen Grossbetrieb ohne Kontrolle gibt es nicht. Zudem haben wir gesetzliche Vorgaben, da braucht es Kontrollinstrumente. Im Arbeitsalltag zwischen Mitarbeitenden untereinander und ihren Führungskräften braucht es jedoch primär Vertrauen.

Welche Bereiche Ihres persönlichen Lebens haben sich durch die Digitalisierung am meisten verändert?
Das Smartphone hat viele Bereiche meines Lebens verändert. Aber nicht den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitenden, zu meiner Familie, meinen Freunden.

Welches ist Ihre Lieblings-App?
Ich nutze die Musik-App, um zwischendurch mal schnell zu entspannen. Die Post-App schätze ich, weil ich damit immer weiss, wo meine erwarteten Sendungen sind, wo ich den nächsten Briefeinwurf oder die nächste Poststelle finde, wann das nächste Postauto fährt und wie die eingegangenen Rechnungen einfach bezahlt werden können.

Welches Hintergrundbild ist auf Ihrem Handy oder Laptop sehen?
Das Matterhorn.