Kampf gegen die Plastikflut
in den Weltmeeren

Text: Eric Johnson | Bilder: The SeaCleaners | Magazin: Grüne Chance – November 2021

Plastikmüll tötet Millionen von Meereslebewesen, die an den Abfällen ersticken, sich in ihnen verfangen oder sich damit vergiften. Weltweit sterben pro Sekunde drei Meerestiere an diesen Folgen. The SeaCleaners, eine französisch-schweizerische Umweltschutzorganisation, hat sich dem Kampf gegen die Meeresverschmutzung durch Plastik und die Zerstörung natürlicher Lebensräume verschrieben. Yvan Bourgnon, CEO und Gründer, sprach mit CEO Magazin über die Rettung der Weltmeere.

Zehn Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr – 17 Tonnen pro Minute – landen in den Weltmeeren. Und kein Ende in Sicht?

Ohne massives Gegensteuern wird sich die Menge an Plastikmüll in den Weltmeeren bis 2040 schätzungsweise verdreifachen, das sind 50 kg pro Meter Küste. 2050 gäbe es dann genau so viel Plastikmüll wie Fische in den Ozeanen. Der Plastikmüll vernichtet Meereslebewesen, führt zu Missbildungen und dazu, dass sie sich immer weniger vermehren. Die im Plastik enthaltenen chemischen Substanzen belasten die marinen Ökosysteme. Zudem verstärkt das Plastik in den Weltmeeren den Klimawandel, da mehr Wärmestrahlung reflektiert wird. Doch nicht nur die Natur wird geschädigt, sondern auch der Mensch. Laut Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen kostet Plastikmüll den Tourismus- und Fischereisektor 14 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Sollten wir Plastik somit schlichtweg verbieten?

Jeder von uns sollte seinen Plastikkonsum minimieren, denn es gibt Alternativen, zumindest in wohlhabenderen Ländern. Wesentlich schwieriger ist es beispielsweise in Afrika oder Bangladesch. Wer es sich leisten kann, weniger Plastik zu verwenden, verdient mehr. Dagegen kaufen Menschen mit geringerem Einkommen vor allem preiswertere, allseits verfügbare Produkte aus Kunststoff. Der Kern des Problems liegt in der Erfassung und Entsorgung. In den ärmeren Teilen der Welt dienen Flüsse als Deponien, in denen der Müll wie durch Zauberhand einfach verschwindet. Die Industriestaaten müssen den weniger entwickelten Ländern, aus denen der Grossteil des Plastikeintrags in die Weltmeeren stammt, dabei helfen, die Abfälle in geeigneter Weise zu sammeln und entsorgen.

Ziel der Umweltorganisation ist es, die Weltmeere vor Verschmutzung zu schützen – insbesondere vor dem Eintrag von Plastik an den Flussmündungen und Küsten. Ihr Ansatz kombiniert Technologie und Aufklärungskampagnen. Bei der technologischen Lösung handelt es sich um ein neuartiges Schiff, dass jährlich 5000 bis 10’000 Tonnen Müll aus den Ozeanen sammeln soll. Die Aufklärungskampagnen werden zum Teil an Bord stattfinden: Präsentationen und Bildungsarbeit auf See und im Hafen, insbesondere in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, wo das Problem am ausgeprägtesten ist und am wenigsten Geld für Gegenmassnahmen zur Verfügung steht. Bereits heute wird Aufklärungsarbeit über Workshops in Unternehmen, an Schulen und an Universitäten sowie über Müllsammel-Aktionstage geleistet.

www.theseacleaners.org

The SeaCleaners entwickelt die erforderlichen Technologien.

Seit 2017 haben wir 25’000 Stunden Forschungsarbeit, technische Entwicklung und Tests für den Manta, ein Offshore-Schiff zur Sammlung und Entsorgung von Plastikmüll, und für die Mobula, ein kleineres Schiff für flache und weniger zugängliche Gewässer, investiert. Die Mobula 8 ist inzwischen betriebsbereit und wird noch vor Ende 2021 in Indonesien zum Einsatz kommen. Der Bau des Manta wird 2022 beginnen, die Einführung ist für 2024 geplant. Bisher konnten wir ein Drittel der erforderlichen Finanzierung sicherstellen. Da die Konstruktionspläne für den Manta nun fertig sind, laufen die Aktivitäten zur Mittelbeschaffung auf Hochtouren. Eine zentrale Frage war die Entsorgung der mit dem Manta gesammelten Abfälle. Ursprünglich wollten wir zur Entsorgung an Land zurückzukehren. Hier bestand jedoch die Gefahr, dass in weniger entwickelten Regionen der erfasste Plastikmüll einfach wieder im Meer landet.

Deshalb werden wir den Plastikmüll in Energie für den Schiffsbetrieb umwandeln. So sparen wir CO2-Emissionen und Energie. Ausserdem können wir drei Wochen am Stück auf See bleiben, weil wir weniger Müll an Bord lagern müssen.

«Plastikmüll kostet den Tourismus- und Fischereisektor 14 Mrd. USD pro Jahr.»

Gibt es neben dem technologischen auch ein soziales Ziel?

Wenn der Manta im Hafen ist, geht unsere Arbeit an Land weiter. Wir wollen zeigen, wie die Technologie funktioniert, und über das Müllproblem und seine Lösungen aufklären. Man kann Menschen nur überzeugen, indem man ihnen erklärt, wie etwas geht. Unser Ziel ist der Einsatz eines Manta und einiger Mobula an der Mündung jedes grösseren Flusses, über den Plastik in die Ozeane gelangt. 90 Prozent des gesamten Plastikmülls in den Weltmeeren stammen aus zehn Flüssen in Afrika, Asien und Südamerika.

Yvan Bourgnon (50) folgt seiner Leidenschaft und ist ein Katamaran-Fan. Als Kind begleitete er seine Eltern und seinen älteren Bruder auf einer Weltum-segelung. Die Brüder wurden später Profisegler und gewannen einen Pokal nach dem anderen, vor allem in Katamaranen. Dann kam die Zeit der Abenteuer. Den Höhepunkt bildete eine Weltumrundung im Sportkatamaran von 2013 bis 2015. Bei dieser Fahrt erlebte Yvan hautnah die dramatische Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll. Daraufhin überführte er seine Leidenschaft, die Weltmeere zu besegeln, in die Leidenschaft, sie zu retten, und gründete The SeaCleaners. Die Mission der Organisation basiert – wie sollte es auch anders sein – auf einem Katamaran, der eigens für die Sammlung und Entsorgung von Müll aus dem Meer entwickelt wurde.

Sie versuchen also, das Verhalten der Menschen in Bezug auf Müll zu verändern?

In Frankreich, wo ich lebe, gibt es 17’000 Müllfahrzeuge für die tägliche Müllsammlung. Warum sollten wir nicht mit einigen Hundert Booten genau dasselbe tun? Wir stellen Mitarbeitende in Vollzeit ein, damit sie Zigarettenkippen einsammeln, die nur wenige Tonnen Müll ausmachen. Das können wir uns leisten! Es wird leider einige Zeit dauern, bis diese Botschaft ankommt. Als ich 2015 begann, mir über die Meeresverschmutzung Gedanken zu machen, war die Wissenschaft gerade erst auf das Problem aufmerksam geworden. Inzwischen ist das Thema wissenschaftlich etabliert. Es ist Sache der Politik, Lösungen umzusetzen. Plastik wird Teil unseres Lebens bleiben, wie sehr wir auch dagegen ankämpfen. Daher ist es an der Zeit, pragmatisch zu sein und zu sagen: Wir müssen das Müllproblem lösen.

Ist The SeaCleaners ein kommerzielles Unternehmen oder eine gemeinnützige Organisation?

Plastikentsorgung und -recycling ist kein rentables Geschäft, deshalb sind wir gemeinnützig organisiert. Mit Glas und Metall kann man Geld verdienen, bei Plastik hingegen müssen öffentliche Stellen und NGOs die Federführung übernehmen. Es müssen Anreize für den geeigneten Umgang mit Plastik geschaffen und Zuwiderhandlungen sanktioniert werden. Allerdings sollte es und wird es auch Nischen für die Einbindung kommerzieller Unternehmen geben. Wir arbeiten bereits mit einigen gewerblichen Partnern zusammen. Andere Unternehmen, die unsere Arbeit unterstützen, versuchen einfach nur, sich für die Sache stark zu machen. Hierzu zählen auch einige Kunststoffhersteller.

«Jeder von uns sollte seinen Plastikkonsum minimieren, denn es gibt Alternativen.»

Gibt es andere Organisationen, die mit The SeaCleaners vergleichbar sind?

Es gibt zum Glück viele aktive Organisationen, aber ihre Zahl ist angesichts des Ausmasses des Problems immer noch nicht ausreichend. Ein gutes Beispiel ist The Ocean Cleanup aus den Niederlanden. Die Organisation konzentriert sich eher auf Plastikmüll in Flüssen, wir hingegen auf die Ozeane, sodass wir uns gut ergänzen. The Ocean Cleanup hat das Problem, dass bei der Müllsammlung in Flüssen in der Regel ein Teil der Wasserstrasse gesperrt werden muss. Das ist für den Schiffsverkehr problematisch. Wir versuchen jedoch beide, Plastikmüll zu sammeln, solange er noch im Wasser treibt, d. h. bevor er auf den Grund absinkt und sich in Mikroplastik zersetzt, denn Mikroplastik zu erfassen, ist so gut wie unmöglich.

Sie sind Segler und Abenteurer: Wie passt das zu Ihrer Position als CEO?

Als Skipper habe ich ein rund 25-köpfiges Team an Land und auf See gemanagt. Ich musste mehrere Millionen Euro aufbringen und die Sponsoren koordinieren. Ich war auch an der Boots- und Ausrüstungsentwicklung beteiligt. Zudem musste ich meine Regatten planen und fahren. Ich besitze also eine solide Führungskompetenz und weiss, was es braucht, um The SeaCleaners zu leiten. Ich war leidenschaftlicher Profisegler, doch 2015; mit 44 Jahren, wollte ich mehr, als nur möglichst schnell von A nach B zu segeln. Das Meer hatte mir so viel gegeben, dass es für mich an der Zeit war, etwas zurückzugeben.

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Yvan Bourgnon – Ganz persönlich

Sie segeln immer noch, richtig?
Ja, nicht mehr als Profi, sondern in meiner Freizeit. Ich segle besonders gerne mit meinem Sohn Mathis, der 2019 Europameister im Sportkatamaran wurde. Inzwischen bin ich nur am Wochenende auf dem Wasser, weil ich während der Woche arbeite.

Sind Sie nur bei The SeaCleaners tätig oder arbeiten Sie noch an weiteren Projekten?
Ich möchte mich auf ein Hauptanliegen konzentrieren. Das habe ich mit The SeaCleaners gefunden. Wir sind eine grosse Organisation mit einer immensen Aufgabe. Wir haben sehr viele Mitarbeitende und bereits mehr als 1000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer. Die Arbeit muss also weitergehen.

Wo sehen Sie sich im Jahr 2030?
Nicht in einem neuen Leben, denn der Kampf für den Schutz der Weltmeere ist mir ein Herzensanliegen. Ich möchte unsere Arbeit auf die gesamte Welt ausweiten und Milliarden Menschen auf das Plastikproblem aufmerksam machen. In den letzten Jahren haben wir schon viel geschafft, aber ich weiss, dass wir in den nächsten zehn Jahren noch sehr viel mehr erreichen können.