Inwiefern?
Der Hörverlust entwickelt sich schleichend. Die Betroffenen beschummeln sich oft jahrelang selbst, indem sie verdrängen oder überspielen, dass sie schlechter hören. Dadurch stellt sich das Gehirn auf das nachlassende Hörvermögen ein, wobei es wiederum an Prozesskraft verliert und träge wird. Denn das Ohr ist ein komplexes Organ und Hören ist der Sinn, der mit Abstand am meisten Arbeitsleistung des Gehirns erfordert.
Viele Betroffene scheuen davor zurück, sich ein Hörgerät zuzulegen. Wie versuchen Sie, hier tätig zu werden?
Das ist ein psychologisches Thema. Das Hörgerät ist für viele immer noch eine Prothese. In Italien oder Frankreich heisst es ja auch «Audioprothese» und das ist immer noch stigmatisierend. Wir arbeiten viel daran, dass dieses Stigma überwunden wird. Aber es erklärt, warum Menschen mit nachlassendem Hörvermögen durchschnittlich etwa sieben Jahre verstreichen lassen, bis sie einen Audiologen aufsuchen. In dieser Zeit kann die Gehörkombination schon starken Schaden nehmen.
«Wir sind überzeugt, dass Hörgeräte über kurz oder lang salonfähig werden.»
Ist es nicht eher aus ästhetischen Gründen, weshalb man lieber auf ein Hörgerät verzichtet?
Das Design spielt eine sehr grosse Rolle. Heute sind die Hörgeräte schon etwas anders als die fleischfarbigen Knochen, die man sich früher hinter das Ohr stecken musste. Wir bauen heute so kleine Geräte, dass man sie gar nicht sieht, weil sie direkt im Gehörgang platziert werden. Daher sind wir auch überzeugt, dass Hörgeräte über kurz oder lang salonfähig werden. Nicht unbedingt solche, die man Tag und Nacht tragen muss, aber sicher die kleinen und einfach zu bedienenden Geräte, die dazu dienen, ein besonderes Klangerlebnis, wie den Besuch eines Sinfoniekonzertes oder Tischgespräche in einer grossen Runde, zu verbessern.
Welche Innovation Ihres Unternehmens begeistert Sie am meisten?
Wir haben verschiedene Standards gesetzt. Beispielsweise das binaurale Hören, bei dem die Hörgeräte im rechten und im linken Ohr in Echtzeit miteinander kommunizieren und die Stereofähigkeit des Ohres imitieren können. Oder wir haben als erster Anbieter die «Kontaktlinse» für das Ohr auf den Markt gebracht, Lyric, ein Hörgerät so gross wie ein Reiskorn. Unsere neueste Errungenschaft ist ein aufladbares Hörgerät von Phonak mit Lithium-Ionen-Batterie und eine völlig neue Radiotechnologie.
Woher bekommen Sie die Anregung für solche Innovation?
Interessanterweise ist unsere Firma oft nicht die erste mit einer Idee – aber wir sind häufig diejenigen, die sie zu Ende denken und das entsprechende Produkt entwickeln, auf den Markt bringen und dann zum Standard machen. Aufladbare Hörgeräte gab es beispielsweise bereits vorher. Diese waren aber technisch nicht so ausgefeilt, dass sie kommerziellen Erfolg hatten. Das haben erst wir geschafft.
Dank der sprichwörtlichen Schweizer Beharrlichkeit und Genauigkeit? Oder was ist Ihr Führungsprinzip?
Vielleicht, denn es ist kein Zufall, dass wir nicht weit weg vom Jura sind! Unser Geschäft hat viel mit der Uhrmacherei gemeinsam. Für mich sind aber nebst der Genauigkeit vor allem zwei Dinge sehr wichtig: Bescheidenheit und Entschlossenheit. Aber dies mit Hingabe und Fürsorge. Diesen Ansatz versuche ich zu leben, privat und im Unternehmen. Es ist mir wichtig, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Das sind wir auch dem Markt schuldig, in dem wir tätig sind, denn unser Business dient letztlich den Menschen, die es
im Leben nicht so einfach haben.
Wie spiegelt sich das in der Vision von Sonova?
Wir stellen uns eine Welt vor, in der es für jeden Hörverlust eine Lösung gibt und in der alle Menschen gleichermassen die Freude des Hörens erfahren können. Denn jeder Mensch, der wieder hören kann, hat dadurch ein ganz anderes Lebensgefühl und es bieten sich ihm neue soziale Chancen. Seien es Kinder oder auch ältere Personen, die wieder voll am Leben teilnehmen können.